EU-Deal mit London wegen Kabeljau und Scholle besonders schwierig

Zubereitete Scholle - Bild: nikolay_2002 via Twenty20
Zubereitete Scholle - Bild: nikolay_2002 via Twenty20

In den Endlos-Verhandlungen zwischen London und Brüssel um ein Post-Brexit-Abkommen ist einer der größten Streitpunkte die Fischerei. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sah am Mittwoch Fortschritte in den Gesprächen – bei der Fischerei aber sei es „sehr schwierig“ und es dränge sich bisweilen das Gefühl auf, „dass wir nicht in der Lage sein werden, diese Frage zu lösen“. Vor allem Frankreich verteidigt vehement die Ansprüche seiner Fischer.

Worum geht es in dem Fisch-Streit?

Ob Kabeljau, Seeteufel, Steinbutt oder Hummer: Zum Fischfang nutzen die Fischer aus Frankreich aber auch aus anderen EU-Staaten nicht nur die eigenen Hoheitsgewässer, sondern zum Teil auch die fischreichen britischen Gebiete. Zuletzt erzielten die Franzosen in britischen Gewässern im Schnitt rund 20 Prozent ihrer Fänge im Atlantik, was einem Wert von 180 Millionen Euro entspricht. Manche französischen Fischer leben sogar zu 40 Prozent von britischem Fisch. 

Warum ist anderen Nationen das Fischen vor Großbritannien erlaubt?

Möglich wurde dies durch die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) der EU. Sie regelt die Fangmengen und den Zugang von Schiffen anderer Länder zur 200-Meilen-Zone vor der britischen Küste. Mit dem Ende des Binnenmarkts zum Jahresende drohen den EU-Fischern massive Umsatzeinbußen, manche fürchten sogar um ihre Existenz. 

Was wollen die Franzosen?

Frankreichs Premierminister Jean Castex erklärte, Paris werde die Interessen seiner Fischer bei den Post-Brexit-Verhandlungen „nicht als Verhandlungsmasse opfern“. Europa-Staatssekretär Clément Beaune drohte in der Frage mit einem Veto Frankreichs.

Warum sind die britischen Gewässer begehrt?

Den Fischern geht es um die ausgewachsenen Tiere: Denn in den kühleren, tieferen und zugleich sauerstoffreicheren britischen Nordsee-Gebieten halten sich die „erwachsenen Fische“ auf, wie Clara Ulrich vom französischen Meeres-Forschungsinstitut Ifremer erklärt. Die wärmere südliche Nordsee nutzen die Tiere vorwiegend zum Laichen. 

Deshalb zieht es zahlreiche europäische Fischer nach Norden. Mit dem Klimawandel hat sich die Tendenz noch verstärkt. Dies gilt nach Ulrichs Angaben vor allem für beliebte Speisefischarten wie Kabeljau und Scholle. 

Was befürchten die Franzosen?

Sie fürchten, dass sich der Streit um Fischgründe in die französischen Gewässer verlagern könnte – dann nämlich, wenn Spanier, Niederländer oder Iren mangels Alternativen weiter südlich fischen. „Wenn sich der Zugang zu den britischen Gewässern schließt, werden alle Fischer aus der EU vor der französischen Küste aktiv“, glaubt Olivier Leprêtre vom regionalen Fischereiverband der Region Hauts-de-France. Er appelliert an die EU, allen Fischern dann nur noch Fangzüge in ihren jeweiligen nationalen Gewässern zu erlauben. Ansonsten drohe eine Überfischung der französischen Gewässer.

Was könnte sich für die Briten ändern?

Im Falle eines „No Deals“ drohen die französischen Fischer mit der Abschottung ihrer eigenen Fanggebiete und Märkte für die Briten. Als besonders lukrativ gelten etwa Jakobsmuscheln im Ärmelkanal. Bereits 2018 stritten Franzosen und Briten erbittert um Fangrechte für die Delikatesse.

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