EVP-Chef Weber: Europa muss aus Blockade von Polen und Ungarn lernen

Manfred Weber - Bild: Laurie Dieffembacq/EP
Manfred Weber - Bild: Laurie Dieffembacq/EP

Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), hat nach der wochenlangen Blockade des EU-Haushalts eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in der EU gefordert. Europa müsse aus dem Blockadeversuch von Polen und Ungarn Konsequenzen ziehen und die Staatengemeinschaft handlungsfähiger machen, sagte Weber der „Passauer Neuen Presse“ vom Freitag. „Europa muss aus dieser Erfahrung lernen. Wir sollten stärker zu Mehrheitsentscheidungen kommen.“

Weber kritisierte, dass egoistische Interessen einiger EU-Mitgliedstaaten manchmal mehr zählten als der Gemeinsinn. „Wir müssen deshalb an einigen Stellen künftig per Mehrheit entscheiden, damit Europa auch handlungsfähig wird. In außen- und sicherheitspolitischen Fragen muss die Einstimmigkeit dringend fallen. Es kann nicht sein, dass sich Europa dauernd selbst blockiert und andere nutzen dies dann aus.“

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich am Donnerstag mit Polen und Ungarn im Streit um den EU-Haushalt und den Corona-Hilfsfonds geeinigt. Mit dem 1,8 Billionen Euro schweren Finanzpaket billigte der Gipfel auch einen umstrittenen Mechanismus zur Kürzung von EU-Geldern bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit. Ungarn und Polen hatten deswegen Mitte November ihre Zustimmung zum EU-Haushalt und zum Corona-Hilfsfonds verweigert.

Ein von Deutschland mit Ungarn und Polen ausgehandelter Kompromiss beinhaltet nun eine erläuternde Erklärung zu dem Rechtsstaatsmechanismus. Darin wird klargestellt, dass er nur dem Schutz des EU-Haushaltes und der finanziellen Interessen der Union dient – nicht aber der Ahndung allgemeiner Missstände bei Rechtsstaat und Demokratie, wegen derer Polen und Ungarn seit Jahren in der EU am Pranger stehen.

Gleichzeitig wird Warschau und Budapest zugesichert, dass zunächst keine Kürzungen von EU-Geldern erfolgen, wenn sie Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Regelung einreichen. Dies könnte die Anwendung des Mechanismus bis ins Jahr 2022 verzögern, sofern er von den Richtern in Luxemburg bestätigt wird.

Weber sagte zu dem Kompromiss: „Die ungarische und polnische Regierung wollten den Rechtsstaatsmechanismus aufweichen und verändern“, doch „an diesem Gesetz wird jetzt kein Punkt und kein Komma verändert werden“.

„Wenn der Rechtsstaatsmechanismus in wenigen Tagen in Kraft tritt, muss er auch genutzt werden“, fügte Weber hinzu. „Die EU-Kommission erhält mit diesem Instrument ein scharfes Schwert in die Hand, die Unabhängigkeit der Justiz und die Meinungs- und Pressefreiheit durchzusetzen. Davon sollte sie auch Gebrauch machen“, betonte der CSU-Politiker: „Dort, wo sie Defizite und Missstände erkennt, kann sie dann Finanzmittel kürzen. So soll garantiert sein, dass es keine Geldzahlungen gibt, wenn der Rechtsstaat nicht ausreichend funktioniert.“

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