Vor prächtigem Alpenpanorama inspiziert Stefan Astner in kleinen Teichen die extrem seltenen Albino-Störe, deren Kaviar zu Silvester zu astronomischen Preisen in alle Welt verschickt wird. „Die Fische waren schon im Ultraschall, wir haben also gesehen, dass sie voll (mit Fischeiern) sind, und bald werden sie in die Produktion gehen“, erklärt Astner. Um die 20 Jahre sind die Weibchen alt, wenn ihnen der kostbare Rogen, wie die reifen Fischeier genannt werden, entnommen werden kann.
Die Nachfrage nach Kaviar sorgte dafür, dass die meisten Störarten in ihrer natürlichen Umgebung in Russland oder im Iran vom Aussterben bedroht sind. Dabei gab es die Art, deren Exemplare bis zu 120 Jahre alt werden können, schon zur Zeit der Dinosaurier.
In den 1980er Jahren wurde die weltweite Kaviar-Produktion von wildlebenden Stören aufgrund von Überfischung und Wasserverschmutzung aufgegeben. Doch Störfarmen wie die in Grödig nahe Salzburg bieten eine Alternative.
Eigentümer Walter Grüll ist einer von rund 2500 Störfarmern weltweit, die nach Angaben der World Sturgeon Conservation Society von 2018 insgesamt 415 Tonnen Kaviar im Jahr produzieren. Dafür ist vor allem Geduld vonnöten. Die Investitionen sind hoch und zahlen sich erst nach vielen Jahren aus, wenn die weiblichen Störe erstmals die begehrten Fischeier produzieren.
Das Albino-Weibchen, das Gröll mit chirurgischer Präzision aufschlitzt, ist 16 Jahre alt. Vorsichtig entnimmt er den cremefarbenen Laich, um ihn zu spülen und zu wiegen. Nach Angaben des Stör-Experten Thomas Friedrich von der Wiener Universität für Bodenkultur gibt es weltweit nicht mehr als 40 Züchter, die sich auf die pigmentlosen Albino-Störe spezialisiert haben.
Obwohl nichts darauf hinweist, dass der Mangel an Pigmenten den Geschmack beeinflusst, ist Grüll überzeugt von seiner außergewöhnlichen Qualität: „Der Albino-Kaviar ist noch weicher, er ist noch buttriger. Probieren! Ich glaube, das ist die einzige Chance, um es wirklich richtig zu beschreiben.“
Und Feinschmecker sind bereit, die Delikatesse zu probieren und dafür viel Geld zu zahlen. Das Störweibchen, das Grüll aufschneidet, bringt 600 Gramm Kaviar im Wert von 8000 Euro auf die Waage – damit kostet er mehr als drei Mal so viel wie schwarzer Kaviar.
In einem Nebenraum packt Gülls Tochter Alexandra etwa 40 Kühlboxen. „Das geht nach Deutschland, Italien, Spanien“, sagt sie mit einem Blick auf die Bestellungen. Zwar ließ die Corona-Pandemie die Nachfrage einbrechen, weil auch die Spitzengastronomie in Österreich geschlossen hat. Doch der Einzelverkauf boome weiter, weil die Menschen sich etwas gönnen wollten, sagt Grüll: „Die Leute wollen den Moment auskosten.“
Vor Silvester macht der Kaviarfarmer fast 40 Prozent seines Jahresumsatzes. Die Namen der Kunden gibt Grüll nicht preis – Diskretion sei in dieser Branche elementar. Doch Grüll erzählt, viele Bestellungen kämen auch aus Asien, Russland, dem Nahen Osten. Soeben habe ein Hersteller von Luxusautomobilen angerufen. Und vor kurzem fragte laut Güll eine Fluggesellschaft an, die Premium-Kunden Kaviar „Made in Austria“ servieren wolle.
Begehrt sind die Fischeier auch bei Dieben: Vor einem Jahr wurden 400 Kilogramm Störe aus einer Zuchtfarm in Österreich gestohlen, die ausgenommenen Fische später in einem Stausee entsorgt. Und 2018 entwendeten Unbekannte 400 Störe im Wert von 50.000 Euro aus einer anderen Zucht. Grüll schützt seine mehrere hundert Fische, darunter heimische Donaustöre, mit Überwachungskameras, hohen Zäunen und schweren Schlössern. Premium-Schutz für die Premium-Ware.