Experten und Hilfsorganisationen prangern unmenschliche Zustände auf Lesbos an

Symbolbild: Flüchtlinge
Symbolbild: Flüchtlinge

Experten und Menschenrechtsorganisationen haben vor Weihnachten auf die unerträglichen Zustände in griechischen Flüchtlingslagern hingewiesen. Manche Kinder dort seien inzwischen so verzweifelt, dass sie nicht mehr weiterleben wollten, sagte die Kinderpsychologin Katrin Glatz-Brubakk, die im Camp Kara Tepe auf Lesbos arbeitet, am Mittwoch dem Deutschlandfunk. „Ich wäre lieber von einer Bombe in Syrien gestorben, als langsam hier jeden Tag ein bisschen zu sterben“, hätten dort manche Flüchtlinge gesagt.

Die Psychologin der Organisation Ärzte ohne Grenzen warf den Behörden vor, die Geflüchteten unter menschenunwürdigen Bedingungen unterzubringen. „Es gibt keine Sanitäranlagen. Das heißt, es gibt Menschen im Lager, die haben seit drei Monaten nicht duschen können“, sagte Glatz-Brubakk. „Die Toiletten kippen um im starken Wind und da fließt der Inhalt raus“, für Kinder gebe es weder Schulen noch Spielmöglichkeiten.

Die Hilfsorganisation medico international veröffentlichte einen Brief von Geflüchteten auf Lesbos an die EU-Kommission und an die Bürgerinnen und Bürger Europas, in denen diese darum baten, „uns die Rechte zu gewähren, die Tiere haben“. In dem Schreiben heißt es demnach: „Oft lesen und hören wir, dass wir in diesen Lagern wie Tiere leben müssen, aber wir denken, dass das nicht stimmt. Wir haben die Gesetze zum Schutz der Tiere in Europa studiert und herausgefunden, dass sie sogar mehr Rechte haben als wir“.

„Die Menschen in den Aufnahmelagern gehen psychisch wie physisch buchstäblich vor die Hunde“, sagte der Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, der „Heilbronner Stimme“ vom Mittwoch. Er verwies auf das Angebot von rund 200 Kommunen in Deutschland, die sich bereit erklärt haben, Schutzsuchende über die bisherigen Kontingente hinaus aufzunehmen. „Die Kapazitäten sind vorhanden“, betonte Burkhardt. Er warf der europäischen Politik vor, es gehe ihr nicht um einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen, sondern nur um deren Abschreckung.

Auf den griechischen Inseln sind weiterhin mehr als 17.000 Menschen Geflüchtete untergebracht. Im Lager Kara Tepe, das nach dem Brand des Camps Moria auf Lesbos eingerichtet wurde, befinden sich etwa 7500 Menschen. Vor rund einer Woche hatten knapp 250 Bundestagsabgeordnete in einem fraktionsübergreifenden „Weihnachtsappell“ die Bundesregierung aufgerufen, zusätzliche Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Auch in diesem Appell wird auf die Aufnahmeangebote der Kommunen und mehrerer Bundesländer Bezug genommen.

Die deutsche Integrations-Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU) nannte die Berichte über die Lage in den griechischen Camps „beunruhigend“. „Es muss auch mit Blick auf den drohenden Wintereinbruch alles daran gesetzt werden, um den Menschen vor Ort zu helfen“, erklärte sie in Berlin. Dazu zähle der Bau menschenwürdiger und sicherer Unterkünfte. Widmann-Mauz begrüßte auch die erfolgte Aufnahme einiger besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge in Deutschland.

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