Der Deutsche Lehrerverband hat den Ländern ein „teilweise katastrophales Krisenmanagement“ in der Schulpolitik vorgeworfen. „Bei der Versorgung der Schulen mit schnellem Internet stehen wir nicht viel besser da als im März diesen Jahres“, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der „Passauer Neuen Presse“ vom Dienstag. Er forderte ein klares Konzept für die Zeit nach dem 10. Januar. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte dagegen: „Wir sind ein Stück weiter als im Frühjahr.“
Meidinger kritisierte „eine unsägliche und alle Betroffenen demotivierende Hüh-Hott-Politik“. Bis zuletzt sei trotz exponentiell steigender Infektionszahlen am vollständigen Präsenzunterricht festgehalten worden. Von Politik und Behörden seien die Schulen „als quasi coronafreie Zonen dargestellt“ worden. Das rapide Wachstum der Infektionsfälle und der dramatische Anstieg der Quarantänemaßnahmen an Schulen habe diese Behauptung widerlegt, so der Verbandspräsident.
Gleichzeitig seien bisherige Hygienestufenpläne außer Kraft gesetzt worden und man habe es versäumt, sich auf eine neue Phase des Wechselunterrichts vorzubereiten, etwa durch mehr Tempo bei der digitalen Modernisierung der Schulen. „Das rächt sich jetzt“, sagte Meidinger.
Familienministerin Giffey sagte im ZDF-„Morgenmagazin“ zu dem Vorwurf des fehlenden Fortschritts im Bereich Schule, es habe „an vielen Stellen eine Weiterentwicklung“ gegeben. „Es hängt sehr daran, wie die einzelnen Schulen das machen, wie die Priorität in den Ländern ist“, sagte sie.
Wenn sich nach dem 10. Januar das Infektionsgeschehen hoffentlich wieder verbessere, werde sie sich dafür einsetzen, „dass wir ganz klar Schule und Kitas nach vorne stellen, dass es die ersten sind, die auch wieder vollständig ihr Angebot machen“, sagte die Ministerin.
Bund und Länder hatten am Sonntag beschlossen, dass im Rahmen des harten Lockdowns die Schulen und Kitas ab spätestens Mittwoch und bis mindestens zum 10. Januar geschlossen bleiben.
In den Funke-Zeitungen rief Giffey die Arbeitgeber auf, berufstätige Eltern „pragmatisch zu unterstützen“. Eltern und Arbeitgeber könnten diesmal von den Erfahrungen aus dem Frühjahr profitieren. Studien hätten gezeigt, dass jedes zweite Unternehmen in der Krise familienbewusste Maßnahmen eingeführt oder ausgeweitet habe. Drei Viertel der Eltern, die wegen der Kinderbetreuung mit ihren Arbeitgebern gesprochen hatten, erhielten demnach von diesen Unterstützung.
Sie verwies zudem darauf, dass Familien weiterhin Anspruch auf staatliche Corona-Hilfen haben. Wenn Eltern die Kinderbetreuung wegen fehlender Alternativen ganz zu Hause übernehmen müssen und deshalb ihrer Arbeit nicht nachgehen könnten, bekommen sie eine Entschädigung von 67 Prozent des Nettoeinkommens. Daneben wurde die Zahl der Kinderkrankentage für 2020 erhöht, die jedem Elternteil jährlich zusteht – und zwar von zehn auf 15 Tage pro Elternteil sowie von 20 auf 30 für Alleinerziehende.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mahnte die Länderregierungen, sich an die Vereinbarungen vom Sonntag zu halten und die Kitas wie die Schulen weitgehend zu schließen. „Wir können jetzt keine Alleingänge der Länder gebrauchen. Beschäftigte, Eltern und Kinder benötigen Regelungen, auf die sie sich verlassen können“, erklärte Björn Köhler, Kitaexperte und GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Dienstag. „Das ständige Hin und Her der vergangenen Monate darf so nicht weitergehen.“