Handel ohne Zölle und Übergangszeit für EU-Fischer – Der EU-UK-Deal im Detail

London und EU
London und EU

Nach zehn Monaten mühsamer Verhandlungen haben sich die EU und Großbritannien auf ein Handelsabkommen nach dem Brexit geeinigt. Es betrifft nicht nur den Warenverkehr, sondern Bereiche wie Staatssubventionen, Luft- und Straßenverkehr oder soziale Sicherung. Großbritannien spricht vom „größten bilateralen Handelsabkommen“, das beide Seiten je vereinbart hätten. Wesentliche Elemente des Post-Brexit-Deals:

Keine Zölle

Auf Waren im beiderseitigen Handel werden keine Zölle bei der Einfuhr erhoben. Zudem gibt es keine mengenmäßigen Beschränkungen für den Import. Ein- und Ausfuhrformalitäten etwa wegen der Kontrolle anderer Standards sollen möglichst vereinfacht werden. Besonders reibungslos soll dabei der Handel in Bereichen mit Autos, Medikamente, Chemikalien und Wein gestaltet werden.

Fairer Wettbewerb

Damit Großbritannien weiter freien Zugang zum EU-Markt mit 450 Millionen Verbraucher erhält, forderte die EU von London kein Unterlaufen ihrer Standards. Laut EU-Kommission gewährleistet das Abkommen nun „ein robustes, gleiches Wettbewerbsumfeld“ mit einem „hohen Schutzniveau“ in Bereichen wie Umweltschutz, Sozial- und Arbeitnehmerrechte sowie bei staatliche Beihilfen. Die EU musste aber ihre ursprüngliche Forderung aufgeben, dass Großbritannien sich auch in Zukunft fortlaufend an von ihr geänderte Standards anpassen muss.

Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern

Das Thema war eines der größten Streitthemen. Obgleich die wirtschaftliche Bedeutung mit rund 650 Millionen Euro pro Jahr eher gering ist, war die Frage Küstenstaaten wie Frankreich, Belgien, Dänemark und den Niederlanden besonders wichtig. Beide Seiten einigten sich auf eine fünfeinhalbjährige Übergangsphase. In dieser Zeit sollen die Fangrechte für EU-Fischer um 25 Prozent gekürzt werden. Ab Juni 2026 soll dann jährlich über die Fangquoten mit Großbritannien verhandelt werden.

Finanzdienstleistungen

Großbritannien wollte für seine wichtige Finanzbranche weitgehenden Zugang zum EU-Markt. Dieser geht nun vorerst nicht über normale Handelsabkommen hinaus. Wesentliche Fragen sollen erst bis März geklärt werden.

Verkehr

Die Vereinbarung garantiert eine kontinuierliche Anbindung an den Luft-, Straßen-, Schienen- und Seeverkehr. Dazu gehören etwa die Nutzung von Flughäfen durch Airlines der anderen Seite und ein ungehinderter Speditionsverkehr. Laut EU sind dabei auch Passagier- und Arbeitnehmerrechte garantiert.

Energie und Klima

Es gibt weiter Vereinbarungen zum Energiehandel und zur Verbindung von Energienetzen. Bei Offshore-Windparks in der Nordsee wollen beide Seiten zusammenarbeiten. Zudem sieht das Abkommen Verpflichtungen gegenüber dem Pariser Klimaabkommen vor.

Soziale Sicherungssysteme

Das Abkommen zielt laut EU darauf, eine Reihe von sozialen Rechten von EU- und britischen Bürgern zu gewährleisten, die nach dem 1. Januar 2021 zur Arbeit in das jeweils andere Gebiet umziehen oder dorthin reisen. Für Menschen, die schon davor eingereist sind, gelten bereits im Brexit-Vertrag weitgehende Bestimmungen. Sie sichern etwa Ansprüche bei Krankenversicherung, Renten und sonstigen Sozialleistungen.

Sicherheit

Im Bereich der Kriminalitäts- sowie Terrorismusbekämpfung gibt es eine weitgehende Zusammenarbeit. Vorgesehen ist eine enge Kooperation der Polizei- und Justizbehörden. Auch der Austausch von Vorstrafenregistern, Fingerabdrücken und Passagierdaten wurde vereinbart. Voraussetzung ist, dass Großbritannien sich an die Zusage hält, weiter die Europäische Menschenrechtskonvention zu beachten.

Weitere Teilnahme an EU-Programmen

Großbritannien nimmt weiter an fünf EU-Programmen teil. Dazu gehört das Forschungsprogramm Horizon Europe, das Forschungs- und Ausbildungsprogramm der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom), das Kernfusionsreaktorprojekt Iter, das Erdbeobachtungssystem Copernicus sowie das Satellitenüberwachungssystem SST. Dafür muss sich London auch weiter an der Finanzierung beteiligen.

Kontrolle des Abkommens 

Für das gesamte Abkommen vereinbarten beide Seiten einen Mechanismus zur Lösung von Konflikten. Zentrales Element ist ein „gemeinsamer Partnerschaftsrat“, der die Umsetzung kontrolliert und in dem Streitfragen besprochen werden. 

Dies ist laut EU verbunden mit „verbindlichen Durchsetzungs- und Streitbeilegungsmechanismen“, damit Rechte von Unternehmen, Verbrauchern und Einzelpersonen geachtet würden. Beide Parteien könnten „im Falle von Verstößen gegen das Abkommen sektorübergreifende Vergeltungsmaßnahmen ergreifen“ – also nicht nur für direkt betroffene Teile der Vereinbarung.

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