Kabinett verschärft nach Wirecard-Fall Regeln für Bilanzprüfer von Unternehmen

Wirecard (über Mehaniq via Twenty20)
Wirecard (über Mehaniq via Twenty20)

Die Bundesregierung will die Bilanzkontrolle von Unternehmen und die Regeln für Abschlussprüfer verschärfen: Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch einen von Finanz- und Justizministerium eingebrachten Gesetzentwurf zur Stärkung der Finanzmarktintegrität. Er sieht unter anderem die unbegrenzte finanzielle Haftung fahrlässiger Bilanzprüfer vor. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will mit dem Gesetz auf den Wirecard-Skandal reagieren und neues Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt gewinnen.

Das Gesetz stärke das Kontrollsystem und sorge dafür, „dass auf Bilanzen und die Testate von Wirtschaftsprüfern mehr Verlass ist“, erklärte Scholz. Sein „klares Ziel“ bleibe, die strengeren Regeln „noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen“.

Verschärft werden soll insbesondere die zivilrechtliche Haftung von Abschlussprüfern gegenüber den geprüften Unternehmen: „Bei grob fahrlässigem Verhalten“ soll ein Prüfer künftig grundsätzlich unbegrenzt haftbar gemacht werden können. Das Finanzministerium (BMF) sieht darin „die erforderlichen Anreize für eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung“.

Die grundsätzliche Haftungsgrenze soll demnach bei Unternehmen am Kapitalmarkt deutlich erhöht werden: von vier auf 16 Millionen Euro. Außerdem sollen externe Prüfer hier nach spätestens zehn Jahren wechseln müssen. Nach „Handelsblatt“-Informationen hatte die Unionsfraktion im Vorfeld der Kabinettssitzung vor den strengeren Haftungsregeln gewarnt, weil sich kleinere Unternehmensprüfer aus dem Markt zurückziehen könnten.

Im Gesetzentwurf sind auch höhere Strafen für Bilanzverstöße vorgesehen: So soll ein „inhaltlich unrichtiges Testat“ zum Abschluss eines Unternehmens „von öffentlichem Interesse“ laut BMF künftig mit bis zu fünf statt wie bislang drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert werden können – ebenso wie ein falscher „Bilanzeid“ der Unternehmensleitung. Außerdem sollen die Unternehmen zu stärkeren internen Kontrollen sowie zur Trennung von Prüfungs- und reinen Beratungsverträgen verpflichtet werden.

Die staatliche Finanzaufsicht Bafin soll mehr Kompetenzen und Durchgriffsrechte gegenüber Unternehmen bekommen, wie das zuständige BMF weiter mitteilte. Dazu gehören demnach unter anderem erweiterte Auskunftsrechte sowie ein Recht auf Durchsuchungen und Beschlagnahmungen. Sogenannte Verdachtsprüfungen der Bafin sollen die betroffenen Unternehmen selbst bezahlen. „Um schon den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden“, sollen private Finanzgeschäfte der Bafin-Beschäftigten außerdem „weitgehend begrenzt werden“.

Bafin-Mitarbeiter handelten bis kurz vor der Insolvenz mit Aktien von Wirecard. Der Zahlungsdienstleister meldete Ende Juni Insolvenz an. Wirecard soll jahrelang die Bilanzen gefälscht haben. Insgesamt 1,9 Milliarden Euro, die auf Treuhandkonten in Asien liegen sollten, sind nicht auffindbar. 

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen führende Manager wegen des Vorwurfs eines „gewerbsmäßigen Bandenbetrugs“. Dabei soll die Wirecard-Chefetage über Jahre Scheingeschäfte in Milliardenhöhe verbucht haben, um das Unternehmen über Wasser zu halten und Kredite zu erschwindeln.

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