Konkurrenten auf Kuschelkurs: CDU-Vorsitzbewerber vermeiden Konfrontation bei Live-Debatte

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Schriftzug der CDU - Bild: Olaf Kosinsky

In einem waren sich die drei Kandidaten von vornherein einig: Die CDU muss ihren Status als letzte verbliebene Volkspartei bewahren, und sie muss das Land weiter regieren – quasi als geborene Regierungspartei. Bescheidenheit stand also nicht im Vordergrund, als sich Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen am Montagabend zu einer Live-Debatte in der Berliner CDU-Zentrale trafen. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hatte bereits einen hohen Anspruch formuliert, als er die Kandidaten begrüßte: „Ich weiß, dass nach diesem Abend uns alle anderen Parteien beneiden werden um diese Auswahl, die wir zu treffen haben.“

Neid-Bekundungen anderer Parteien ließen sich nach der 90-minütigen Debatte zwar zunächst nicht dokumentieren – doch zumindest eines wurde klar: Die Diskussion hat den Mitgliedern die Auswahl nicht einfacher gemacht. Zu ähnlich waren die Positionen in den meisten Fragen, zu gering waren die Unterschiede. 

Die Bewerber präsentierten sich in den gewohnten Rollen. Laschet trat auf als das soziale Gewissen seiner Partei. „Die soziale Frage muss ganz oben stehen nach dieser Pandemie“, sagte er. Laschet ist derjenige der Kandidaten, der am ehesten für die Kontinuität der Politik von Angela Merkel steht – dies wurde auch am Montagabend deutlich. Von der Kritik, die politische Achse der CDU habe sich nach links verschoben, wolle er nichts wissen: „Nein, sie hat eine Antwort gegeben auf gesellschaftliche Fragen“ – etwa mit der Ganztagsbetreuung für Kinder.

Merz sprach viel von sozialer Marktwirtschaft. Und er war der einzige, der den Namen der CDU-Langzeitkanzlerin Merkel überhaupt in den Mund nahm – seiner alten Rivalin, die sonst in der Debatte kaum eine Rolle spielte. „Es bricht gerade etwas auf – eine neue Diskussionskultur in der CDU“, sagte er zufrieden. „Die CDU besinnt sich auf eine Zeit nach Angela Merkel. Das ist eine Zäsur.“

Röttgen zielte darauf ab, sich als Modernisierer der CDU zu profilieren. Er wolle die Partei „weiblicher, jünger und digitaler“ machen, sagte er. „Wir brauchen eine Kulturveränderung in der CDU, indem Frauen gerne bei der CDU mitmachen.“ Sein Einsatz für die Verweiblichung der CDU ging so weit, dass er die Zuschauer mit einer Wort-Neuschöpfung überraschte – er sprach von den „CDU-Mitgliederinnen und -Mitgliedern“.

Röttgen, der bei seiner Entlassung als Umweltminister durch Kanzlerin Merkel vor acht Jahren einen tiefen politischen Fall erlebt hatte, spürt derzeit Rückenwind in den Umfragen. In der Debatte wiederholte er immer wieder das Schlagwort von der Digitalisierung, die er zu einem seiner Kernanliegen machen wolle.

Seinem Konkurrenten Laschet wurde das irgendwann zu viel. „Alles wird digital – das sagen wir alle fünf Mal am Tag“, gab der NRW-Ministerpräsident zu bedenken. Er wolle sich auch für Berufstätige einsetzen, die nicht digital arbeiten können – Pflegekräfte etwa. Soll in Zukunft wirklich alles digital werden? „Ich hoffe nicht“, sagte Laschet.

In vielem waren sich die Kandidaten einig. Sie wollen die CDU attraktiver für Frauen und für junge Menschen machen, das klimapolitische Profil der Partei schärfen, die Politik familienfreundlicher machen und den Status als Volkspartei bewahren. 

Krachende Konfrontationen der Kandidaten dürften bis zum Wahlparteitag am 16. Januar nicht zu erwarten sein, glaubt man ihren Äußerungen vom Montagabend. „Dieser Abend hat gezeigt, wie wir gut in der CDU diskutieren können“, resümierte Laschet. Röttgen sagte, die Erfahrung aus dem Wettbewerb um den Parteivorsitz sei, „dass respektvoller Wettbewerb um die Sache etwas ist, das der CDU nützt.“ Und auch Merz beschwor die neue Diskussionskultur.

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