Russlands Präsident Wladimir Putin sieht keine Grundlage für Ermittlungen im Fall des vergifteten Oppositionellen Alexej Nawalny. „Wenn eine Person fast stirbt, bedeutet dies nicht, dass jedes Mal eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet werden muss“, erklärte der Staatschef laut einer vom Kreml am Freitag veröffentlichten Abschrift. Demnach hatte sich Putin zu dem Thema bei einem Treffen des Kreml-Beirats für Menschenrechte am Donnerstag geäußert.
Nawalny war am 20. August auf einem Flug vom sibirischen Tomsk nach Moskau zusammengebrochen. Zwei Tage später wurde der 44-Jährige, noch im Koma liegend, zur Behandlung in die Berliner Universitätsklinik Charité gebracht. Nach Angaben von drei europäischen Laboren, deren Ergebnisse von der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) bestätigt wurden, wurde Nawalny mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet.
Putin warf den europäischen Ländern eine mangelnden Kooperationsbereitschaft in dem Fall vor. Die russische Staatsanwaltschaft habe die europäischen „Kollegen“ um einen Abschlussbericht gebeten. Zudem seien russische Ermittler bereit gewesen, „nach Frankreich und Deutschland“ zu reisen, um sich mit den Experten zu treffen, „die behaupten, ein militärisches Gift gefunden zu haben“, sagte Putin.
Doch europäische Ermittler würden nicht mit den russischen Behörden kooperieren. „Niemand lädt uns ein“, sagte Putin laut der Abschrift auf der Kreml-Sitzung. Der Staatschef fügte hinzu: „Zeigt uns, wo dieses Nowitschok ist.“
Nach Einschätzung der EU hätte der Giftanschlag auf Nawalny nicht ohne das Wissen und die Genehmigung staatlicher russischer Stellen stattfinden können. Im Oktober verhängte die EU deshalb Sanktionen gegen russische Funktionäre im engsten Umfeld von Putin, darunter der Vize-Chef der Präsidialverwaltung, Sergej Kirijenko.
Nawalny selbst sagte, er gehe davon aus, dass Putin persönlich den Anschlag auf ihn bewilligt habe. Der Kreml bestreitet jede Beteiligung an dem Anschlag.