Das Auswärtige Amt hat von der Regierung in London „politischen Willen“ gefordert, um in den festgefahrenen Post-Brexit-Verhandlungen noch zu einer Einigung zu finden. „Wo ein Wille, da ist auch noch ein Weg für eine tragfähige und faire gemeinsame Lösung“, sagte Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. An der EU werde eine Einigung „jedenfalls nicht scheitern“.
Roth räumte ein, dass die Zeit für eine Einigung immer knapper werde. „Es ist bereits fünf nach zwölf. Aber wir lassen nicht locker, noch ist eine Einigung möglich.“
„Die Hand der Europäischen Union bleibt weiter ausgestreckt“, betonte Roth. Zugleich bekräftigte er: „Wir wollen ein faires Abkommen und so enge Beziehungen mit dem Vereinten Königreich wie möglich – aber eben nicht um jeden Preis, nicht zulasten unserer Bürgerinnen und Bürger, nicht auf Kosten unserer Wirtschaft, von Umwelt- und Sozialstandards.“ Deutschland hat noch bis Jahresende die EU-Ratspräsidentschaft inne.
Roth verwies auf die demokratischen Verfahren zur Ratifizierung von Verträgen. „Normalerweise müssen solche Verträge erst einmal in alle Amtssprachen der Europäischen Union rechtsverbindlich übersetzt werden. Und am Ende bedarf es ja auch einer Prüfung durch die Mitgliedstaaten, vor allem aber durch das Europäische Parlament.“
Im Falle einer Einigung zwischen Brüssel und London alle noch anstehenden Schritte durchzubekommen, werde „kein Selbstläufer“, sagte Roth. „Aber wir werden gegebenenfalls auch dafür pragmatische Lösungen finden. Jetzt brauchen wir erstmal eine Einigung. An der EU wird es jedenfalls nicht scheitern.“
Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten, bis zum Jahresende bleibt das Land aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Inzwischen ist die Zeit für die rechtzeitige Ratifizierung eines angestrebten Handelsabkommens äußerst knapp. Ohne Einigung würden im beiderseitigen Handel zum Jahreswechsel Zölle erhoben. Am Sonntag hatten beide Seiten die Zeit für die Gespräche nochmals verlängert. Eine Frist für ein Ende wurde nicht gesetzt.
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hatte sich am Sonntag mit Blick auf eine mögliche Einigung skeptisch gezeigt. In wichtigen Fragen seien beide Seiten „noch sehr weit auseinander“, sagte er. Fortschritte in den Gesprächen deutete am Montag dagegen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen an. Es gebe „Bewegung“ in den Verhandlungen, sagte sie bei einer Konferenz der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).