Die russische Justiz hat strafrechtliche Ermittlungen gegen den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wegen „groß angelegten Betruges“ eingeleitet. Dem Widersacher von Staatschef Wladimir Putin, der sich in Deutschland von einem Giftanschlag erholt, wird die Veruntreuung von 356 Millionen Rubeln (rund 3,9 Millionen Euro) an Spendengeldern vorgeworfen, wie die Justizbehörden am Dienstag in Moskau mitteilten.
Der Oppositionelle habe von Bürgern eingesammelte Gelder „gestohlen“, erklärte ein für die Untersuchung besonders schwerwiegender Gesetzesverstöße zuständiges Komitee der Staatsanwaltschaft. An seine gemeinnützigen Organisationen geflossene Spendengelder habe Nawalny unter anderem für Urlaube im Ausland und den Erwerb persönlichen Eigentums verwendet. Dabei handelt es sich den Angaben zufolge vor allem um Vereinigungen zur Bekämpfung von Korruption und zum Schutz der Menschenrechte.
Die Nawalny vorgeworfenen Delikte können mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden. Der Oppositionelle erklärte zu den Anschuldigungen, diese seien „von Putin erfunden“ worden. Er habe schon vorher gesagt, dass die russische Regierung versuchen werde, ihn ins Gefängnis zu werfen, da er nach dem Giftanschlag nicht gestorben sei, schrieb der 44-Jährige im Onlinedienst Twitter.
Seine Anhänger rief Nawalny auf, sich über die Justizermittlungen „lustig zu machen“, indem sie weiter an seine Organisationen spendeten.
Den im August Sibirien verübten Giftanschlag hatte Nawalny nur knapp überlebt. Zwei Tage nach seinem Zusammenbruch während eines Inlandsflugs wurde er zur Behandlung nach Berlin gebracht. Laut Laborergebnissen in Deutschland, Frankreich und Schweden, welche die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) bestätigte, wurde Nawalny mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet.
Navalny wirft dem russischen Geheimdienst FSB vor, hinter seiner Vergiftung zu stecken. Die russische Regierung bestreitet jede Beteiligung an dem Anschlag. Der Kreml-Kritiker hat angekündigt, nach seiner Genesung nach Russland zurückkehren zu wollen. Er sah sich schon früher mit Betrugsvorwürfen konfrontiert. Im Februar 2014 war Nawalny wegen solcher Anschuldigungen unter Hausarrest gestellt worden, der fast ein Jahr dauerte.