In der Endphase der Gespräche über ein Handelsabkommen nach dem Brexit ist es zu Verzögerungen gekommen. Die Verhandlungen seien noch nicht beendet, hieß es am Mittwochabend aus EU-Kreisen, nachdem zuvor ein baldiger Durchbruch für möglich gehalten worden war. Ein Diplomat sagte, die EU-Mitgliedstaaten überprüften, ob alle notwendigen Garantien der britischen Seite in dem Kompromissvorschlag enthalten seien.
Aus französischen Regierungskreisen hieß es am Abend, die Briten hätten „enorme Zugeständnisse“ in den Gesprächen gemacht. Dabei sei es um die bis zuletzt umstrittene Frage der künftigen Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern gegangen. Sie sind Küstenländern wie Frankreich besonders wichtig.
Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten, bis zum Jahresende bleibt das Land aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Seit zehn Monaten verhandeln Brüssel und London nun bereits über ein Handelsabkommen. Hauptstreitpunkte waren neben der Fischerei die Wettbewerbsbedingungen für britische und EU-Firmen sowie die Kontrolle eines künftigen Abkommens.
Diese beiden Themen waren nach AFP-Informationen am Mittwoch bereits so gut wie abgeschlossen. Beim Fisch stritten beide Seiten aber bis zuletzt um Kürzungen der erlaubten Fangmengen in Großbritanniens Gewässern für EU-Fischer und die Länge einer Übergangszeit für deren Einführung.
Falls die Verhandlungsführer einen Durchbruch vermelden, müssten auch die Regierungen der 27 EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Hierzu könnte es zunächst ein Treffen der EU-Botschafter in Brüssel geben. Danach würde der Text in den Hauptstädten geprüft. Es könne deshalb mehrere Tage dauern, bis das grüne Licht der EU vorliege, hieß es aus EU-Kreisen.
Nach AFP-Informationen begannen die Mitgliedstaaten aber mit der Vorbereitung einer vorläufigen Anwendung eines möglichen Abkommens. Es könnte dann Anfang 2021 im Nachgang vom EU-Parlament ratifiziert werden. Denn die Abgeordneten halten eine reguläre Ratifizierung in diesem Jahr nicht mehr für möglich.
In Großbritannien müsste seinerseits das Parlament zustimmen. Es soll dafür vor dem Jahreswechsel aus den Winterferien zurückgerufen werden.
Ohne Handelsabkommen würden im beiderseitigen Handel zum Jahreswechsel Zölle nach WTO-Konditionen erhoben. Wirtschaftsverbände rechnen dann mit massiven Staus an den Grenzen im Lieferverkehr, der Unterbrechung wichtiger Lieferketten der Industrie und warnen vor Milliarden an Mehrkosten und Einnahmeausfällen.