Unmittelbar vor Weihnachten wächst der Druck auf die Kirchen, auf Weihnachtsgottesdienste mit Gläubigen zu verzichten. Die Vorsitzende des Verbands der Amtsärzte, Ute Teichert, forderte wegen des Corona-Risikos in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Mittwoch ein Verbot. Auch Politiker teilten die Forderung nach einem Verzicht auf Präsenzgottesdienste. Wie die katholische Kirche will aber auch die evangelische Kirche an Weihnachten mit Gläubigen festhalten.
Teichert sagte, „in diesem Jahr sollten Präsenzgottesdienste bundesweit untersagt werden.“ Es sei bekannt, dass sich das Virus gerade bei Gottesdiensten übertragen kann. Deshalb dürfe kein zusätzliches Risiko eingegangen werden, sagte die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Karin Maag (CDU), würde ein Verbot der Gottesdienste unterstützen. „Ich würde es in diesem Fall tatsächlich verbieten, weil wir in einer ganz schwierigen Lage sind“, sagte Maag im Südwestrundfunk. Sie gehe allerdings nicht davon aus, dass ein solches Verbot kommen wird.
Eine Gottesdienst-Variante mit wenigen Gläubigen, viel Abstand, zugewiesenen Plätzen und keinem Gesang könne sie nachvollziehen, sagte Maag. Dennoch appelliere sie an die Menschen, freiwillig auf die Teilnahme an einem Gottesdienst zu Weihnachten zu verzichten: „Aus ärztlicher, virologischer und politischer Sicht wäre es schön, wenn wir dieses Jahr darauf verzichten und den Gottesdienst am Fernsehgerät verfolgen.“
Zuvor hatten auch andere Politiker die Weihnachtsgottesdienste mit Präsenz von Gläubigen hinterfragt. An Ostern im ersten Lockdown waren Gottesdienste mit Gläubigen noch vollständig verboten.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, ist allerdings gegen eine Absage der Weihnachtsgottesdienste. „Nein, keine generelle Absageempfehlung“, sagte der bayerische Landesbischof im Bayerischen Rundfunk. „Das muss jetzt vor Ort entschieden werden.“ Ihm sei bewusst, dass das für die Gemeinden eine schwere Entscheidung sei.
Im Südwestrundfunk (SWR) verwies Bedford-Strohm auf die Erfahrungen der vergangenen Monate und die Schutzkonzepte. „Für Weihnachten heißt es, dass nur sehr wenige Leute in die Kirchen können, mit großen Abständen, mit Gesichtsmasken, es wird nicht gesungen.“ Es werde in den Kirchen sehr genau darauf geachtet, dass keine Risiken entstünden.
Bedford-Strohm sagte, er empfehle, Angebote wie digitale Formate, Fernsehgottesdienste oder Hausandachten zu nutzen. „Aber es gibt auch Menschen, die leben alleine. Die brauchen dringend diesen Trost, auch, wo sie andere Menschen neben sich haben.“ Deswegen sage er, es gebe einen engen Korridor, „zu dem gehört aber auch, dass manche Gottesdienste in den Kirchen gefeiert werden“.
Auch die katholische Kirche hatte zuvor angekündigt, an Weihnachtsgottesdiensten festzuhalten. Der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken – die Vertretung der Laien -, Thomas Sternberg, sagte der „Augsburger Allgemeinen“: „Die katholischen Gläubigen haben sich nie gegen vernünftige Lösungen gewandt, aber das heißt auch, dass man Gottesdienste nicht pauschal verbieten sollte“. Gottesdienste ließen sich nicht einfach auf eine Online-Variante umstellen, es seien Gemeinschaftsfeiern.
Der FDP-Religionspolitiker Benjamin Strasser rief die Gottesdienstbesucher in der „Heilbronner Stimme“ dazu auf, sich an die Regeln zu halten. Sollten einzelne Gemeinden dagegen verstoßen, „muss die Polizei selbstverständlich entsprechend durchgreifen und das Verhalten sanktionieren“.