Amtsantritt mit eindringlichen Appellen

Amtseinführung Joe Biden - Bild: FLASH TV
Amtseinführung Joe Biden - Bild: FLASH TV

Mit einem dramatischen Appell zur Einheit beginnt Joe Biden seine Amtszeit als 46. US-Präsident. „Ohne Einheit gibt es keinen Frieden, nur Verbitterung und Wut, keinen Fortschritt, nur erschöpfende Empörung, keine Nation, nur einen Zustand des Chaos“, sagt der frisch vereidigte Präsident auf den Stufen des Kapitols. „Das ist unser historischer Moment der Krise und Herausforderung, und Einheit ist der Weg nach vorne.“

Einheit in Krisenzeiten – das ist die zentrale Botschaft des 78-Jährigen, der als ältester Präsident der US-Geschichte ins Weiße Haus einzieht. Und dass dies angesichts der beispiellosen Spaltung in dem Land nach vier Jahren Donald Trump naiv erscheinen kann, ist auch Biden bewusst.

„Ich weiß, dass es dieser Tage wie ein törichtes Hirngespinst klingen kann, von Einheit zu sprechen“, sagt der frühere Vizepräsident an dem sonnigen, aber kalten Wintertag vor dem imposanten Kongressgebäude. Der Demokrat spricht trotzdem von einem Tag der „Hoffnung“: In der US-Geschichte hätten sich noch immer die „besseren Engel“ durchgesetzt.

Himmlischen Beistand kann der gläubige Katholik gut gebrauchen. Die USA stecken in der vielleicht tiefsten Krise seit Jahrzehnten: Mehr als 400.000 Corona-Tote zählt die mächtigste Nation der Welt bereits, die Wirtschaft liegt am Boden, und die gesellschaftlichen und politischen Gräben sind so tief wie selten zuvor. 

Die Krisen werden auch bei der Amtseinführung deutlich. Nach der Erstürmung des Kapitols durch radikale Trump-Anhänger vor zwei Wochen findet die Vereidigung unter beispiellosen Sicherheitsvorkehrungen statt: Der Kongress ist weiträumig abgesperrt, 25.000 Nationalgardisten sind mobilisiert. Anstelle von hunderttausenden Menschen stehen mehr als 190.000 US-Fahnen auf der National Mall, dem langen Grünstreifen vor dem US-Kapitol.

Biden und seine Vizepräsidentin Kamala Harris stehen vor der gewaltigen Aufgabe, die vielen Krisen zu bewältigen. Und der nach wie vor von Millionen Anhängern verehrte Trump macht am Mittwoch ein Mal mehr deutlich, dass er nicht bereit ist, an einer Versöhnung des Landes mitzuwirken.

Die Amtseinführung seines Nachfolgers schwänzt der 74-Jährige, als erster Präsident seit mehr als 150 Jahren. Stattdessen lässt er sich am Morgen mit der Präsidentenmaschine Air Force One ins warme Florida fliegen, wo er künftig leben wird.

„Viel Glück und viel Erfolg“ wünscht Trump der Biden-Regierung zwar vor seinem Abflug noch; aber das klingt wie eine hohle Phrase von dem Mann, der seine Wahlniederlage nach wie vor nicht offen eingestanden und wochenlang den Ausgang des Urnengangs bekämpft hat. Zumal er mit einem nebulösen „Wir werden auf irgendeine Art zurückkommen“ die Spekulationen über seine Zukunftspläne weiter anheizt.

Bevorstehen wird ihm jedenfalls ein Impeachment-Prozess wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ bei der Kapitol-Erstürmung. Der Senat könnte Trump bei einem Schuldspruch auf Lebenszeit von politischen Ämtern ausschließen. Damit wäre auch eine mögliche Präsidentschaftskandidatur 2024 vom Tisch. Aber Biden muss fürchten, dass der Prozess die Spaltungen im Land noch vertieft – und eine Zusammenarbeit mit den oppositionellen Republikanern erschwert.

Auch deswegen setzt Biden am Tag seines Amtsantritt auf viele Signale der Kooperationsbereitschaft. Am Morgen besucht der langjährige Senator mit ranghohen Politikern von Demokraten und Republikanern einen Gottesdienst. Den scheidenden Vizepräsidenten Mike Pence, der anders als Trump zur Amtseinführung gekommen ist, begrüßt er prominent.

Und in seiner Antrittsrede verspricht er, ein „Präsident für alle Amerikaner“ zu werden. „Ich werde genau so hart für jene kämpfen, die mich nicht unterstützt haben, wie für jene, die mich unterstützt haben.“ Biden weiß: Den Ankündigungen muss er jetzt rasch Taten folgen lassen.

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