An Georgia hängt das künftige Machtgefüge von Washington

Symbolbild: Wahlen in den USA
Symbolbild: Wahlen in den USA

Der gewählte US-Präsident Joe Biden macht wieder Wahlkampf: Der 78-jährige Demokrat will am Montag in den Südstaat Georgia reisen und dort zwei Parteifreunde bei äußerst wichtigen Stichwahlen für den US-Senat unterstützen. Dabei steht auch für Biden selbst viel auf dem Spiel: Die Stichwahlen am 5. Januar entscheiden über die künftige Mehrheit in der mächtigen Kongresskammer in Washington – und damit über seinen Spielraum für Reformen.

Rückkehr an einen Ort des Triumphs

Biden hatte Georgia bei der Präsidentschaftswahl vom 3. November als erster demokratischer Präsidentschaftskandidat seit fast drei Jahrzehnten gewonnen. Dieser Sieg war einer seiner Schlüssel zum Gesamterfolg. Der abgewählte Präsident Donald Trump versuchte vergeblich, das Wahlergebnis in dem Bundesstaat zu kippen und legte sich dabei auch mit dem republikanischen Gouverneur Brian Kemp und republikanischen Wahlverantwortlichen an.

Neue Duelle im Südstaat

Der Bundesstaat Georgia wird zwei Stichwahlen abhalten: Die republikanische Senatorin Kelly Loeffler will ihr Mandat gegen ihren demokratischen Herausforderer Raphael Warnock verteidigen, Loefflers Parteifreund David Perdue seinen Senatssitz gegen den Demokraten Jon Ossoff. Umfragen sagen derzeit enge Rennen voraus. Seit vergangenem Montag können die Wähler im Vorfeld des eigentlichen Wahltermins bereits beim sogenannten Early Voting ihre Stimme abgeben.

Die Stichwahlen sind nötig, weil in der ersten Wahlrunde am 3. November keiner der Kandidaten die Schwelle von 50 Prozent erreicht hatte, wie es gemäß Georgias Wahlrecht notwendig ist. 

Stichwahlen mit nationaler Bedeutung

In Georgia wird über die letzten beiden noch nicht vergebenen Senatssitze entschieden – und damit über die künftige Mehrheit in der Kongresskammer. Dem Senat gehören 100 Senatoren an, jeweils zwei pro Bundesstaat. Bislang hatten Trumps Republikaner eine Mehrheit von 53 zu 47 Senatoren. Nach der Präsidentschafts- und Kongresswahl vom 3. November haben die Konservativen nach jetzigem Stand 50 Sitze sicher und die Demokraten 48.

Die Republikaner müssen in Georgia also nur eine der beiden Stichwahlen gewinnen, um auch künftig die Senatsmehrheit zu stellen. Die Demokraten müssen dagegen beide Stichwahlen für sich entscheiden, um auf die gleiche Zahl von Senatoren zu kommen wie die Konservativen. In diesem Fall wären sie im Vorteil: Bei Patt-Situationen gibt die künftige Vizepräsidentin Kamala Harris, die Kraft ihres Amtes auch Senatspräsidentin ist, mit ihrer Stimme den Ausschlag.

Hoher Besuch und viel Geld

Weil von den Stichwahlen so viel abhängt, fließt derzeit sehr viel Geld für den Wahlkampf nach Georgia. Schätzungen zufolge könnten es die teuersten Senats-Wahlkämpfe der Geschichte werden. Außerdem reisen hochrangige Politiker in den Bundesstaat: So wie Biden will auch Trump am Montag vor Ort für seine Kandidaten werben.

Bidens künftige Macht hängt an Georgia

Zwar haben Bidens Demokraten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus knapp verteidigt, ohne Senatsmehrheit hilft ihnen das aber nur bedingt: Große Reformvorhaben müssen beide Kongresskammern passieren. Deshalb ist die Mehrheit im Senat so wichtig.

Biden kann nach seinem Amtsantritt zwar bis zu einem gewissen Grad per Dekret regieren. Für große Regierungsprojekte – etwa neue Corona-Hilfen, eine Reform des Gesundheitswesens und mehr Geld für den Klimaschutz – braucht er aber den Rückhalt des Kongresses. Außerdem benötigen Minister und andere wichtige Regierungsmitglieder eine Bestätigung durch den Senat.

Sollten die Republikaner ihre Senatsmehrheit verteidigen, bliebe Mitch McConnell Mehrheitsführer. Der 78-Jährige ist bekannt für eine gnadenlose Blockadepolitik, mit der er schon Präsident Barack Obama das Regieren schwer machte.

Biden hat sich zwar optimistisch gezeigt, dass er Kompromisse mit McConnell aushandeln kann, den er aus seiner Zeit als Senator gut kennt. Er dürfte aber heilfroh sein, wenn er es nicht mit dem „Darth Vader“ des Senats zu tun bekommt – und deshalb inständig auf Siege der demokratischen Senatskandidaten in Georgia hoffen.

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