„Aufgeben ist nicht meine Art“ – Yves R. hielt tagelang die Region Oppenau in Atem – sein Motiv ist weiter unklar

Justitia - Bild: axel.bueckert via Twenty20
Justitia - Bild: axel.bueckert via Twenty20

Die Kamerabilder, die über die große Leinwand über dem Richtertisch flimmern, sind verwackelt. Im Dickicht an einem Wegabhang ist eine dunkle Gestalt zu sehen, der sich schwer bewaffnete Polizisten nähern. „Du kommst raus, und wir gehen hier alle glücklich raus“, rufen die Beamten. „Glücklich ist jetzt eine Frage der Definition“, antwortet Yves R., auch bekannt als „Schwarzwald-Rambo“. Die Polizei setzt schließlich einen Teaser gegen ihn ein. Es wird hektisch, ein Beamter wird verletzt. Dann wird R. aus dem Busch gezerrt.

Der Film zeigt die letzten Minuten eines Polizeigroßeinsatzes, der im vergangenen Juli fünf Tage lang die südbadische Region Oppenau im Südschwarzwald in Atem hielt. Schulen und Geschäfte blieben geschlossen, weil der zur Tatzeit 31-jährige bewaffnete Waldläufer als unberechenbar galt.

Jetzt steht der Mann in einer Halle, die sonst für Kulturveranstaltungen genutzt wird, vor dem Offenburger Landgericht. R. erscheint mit Glatze, geflochtenen Kinnbart und blauem Sweatshirt vor Gericht. Er wirkt aufmerksam, auch als der Film läuft, sagt aber kein Wort.

R.s Einlassung zu Beginn der Verhandlung verlesen seine Anwälte. Der Film vermittelt ein unberechenbares Verhalten seitens des Manns, der bei seiner Festnahme mit vier Polizeipistolen und einer Axt bewaffnet ist, aber nicht aggressiv gegenüber den Beamten wirkt – eher stur.

R. muss schon seit seiner Jugend ein Sonderling gewesen sein, den die Menschen im Dorf Oppenau wegen seiner auffälligen Kleidung kannten. Eine Zeitlang war er Punk, später soll wegen einer antisemitischen Schmiererei eine Jugendstrafe erhalten haben. 2010 wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung an einer Freundin, die er mit einer Armbrust verletzt hatte, zu einer Haftstrafe verurteilt.

Im Gefängnis macht R. eine Tischlerlehre und schließt als Jahrgangsbester ab. Als er entlassen wird, arbeitet er in Schreinereien, jedoch nie lange. Die industrielle Fertigung langweilt ihn. Ein Freund verschafft ihm einen Job bei der Bahn.

Er habe sich zu dieser Zeit oft depressiv gefühlt, wohl auch weil die Beziehung zu seiner Freundin, die ein Kind von ihm habe abtreiben lassen, in die Brüche gegangen sei. Der Hausarzt verschreibt ihm Medikamente, unter deren Einfluss er jedoch nicht mehr arbeiten kann. Nach seinem Ausscheiden bei der Bahn geht es für R. weiter bergab. 

Im Frühjahr 2020 verliert er seine Wohnung und fasst den Plan, durch Deutschland in die Uckermark zu wandern. Er kauft für mehrere tausend Euro professionelles Outdoorzubehör und legt ein Basislager im Wald an, in dem er auch wochenlang übernachtet und sich von Nüssen und Vorräten ernährt.

„Ich wollte von der Konsumnahrung wegkommen“, sagt er. Auch Pfeil und Bogen hat er dabei, um im Notfall auch Tiere zu jagen. Doch die Planungen für die Wanderung geraten ins Stocken, das Lager tauscht er gegen eine verlassene Gartenhütte, wo er am 12. Juli die vier Polizeibeamten entwaffnet.

Er habe sich gewundert, dass die Beamten ihre Waffen so schnell abgegeben hätten, sagt er einem Polizisten kurz nach der Festnahme. Dass er einen Beamten mit einem Beil verletzt habe, tue ihm leid.

Vor Gericht stellt sich die Frage, ob R. ein gefährlicher Waffennarr oder ein etwas wirrer Außenseiter ist, der die Straftaten im Affekt beging und sich zumindest zeitweise wünschte, erschossen zu werden. Ein Abschiedsbrief an seine Mutter deutet darauf hin, auch in seiner Erklärung spricht er von seinem Todeswunsch.

Denn ins Gefängnis habe er nie wieder gewollt, erklärt R. Dass er davon verschont bleibt, danach sieht es nach dem ersten Prozesstag allerdings nicht aus. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Geiselnahme, schwere räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung vor. Damit drohen ihm bist zu 15 Jahre Haft.

Warum er selbst am Ende, als die Polizei ihn gestellt hatte, nicht die Waffen niederlegte, erklärt R. in seiner Stellungnahme vor Gericht so: „Ich wollte nicht aufgeben, das ist nicht meine Art – ich weiß, dass mir das nicht genutzt hat.“

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