Die Bundesregierung plant nach Angaben von Innenminister Horst Seehofer (CSU), rasch die Einreise aus Ländern mit einem starken Vorkommen der mutierten Coronavirus-Varianten zu untersagen. Betroffen davon wären vorerst Großbritannien, Portugal, Südafrika und Brasilien, sagte Seehofer am Donnerstag in Berlin. Weitere Länder könnten je nach Entwicklung hinzukommen. Die EU-Kommission warnte Deutschland vor „zu drastischen Maßnahmen“.
Seehofer machte jedoch klar, dass Deutschland angesichts der Gefährdung der Bevölkerung mit den Beschränkungen nicht auf die EU warten werde. „Wir können (…) nicht damit rechnen, dass es jetzt in absehbarer Zeit zu einer europäischen Lösung kommt, die auch unseren Vorstellungen entspricht“, sagte er vor Beratungen mit seinen EU-Kollegen. „Und deshalb bereiten wir das jetzt national vor.“
Seehofer verwies darauf, dass auch andere EU-Länder wie die Niederlande oder Belgien schon weitreichende Reisebeschränkungen verhängt hätten. Es gehe darum, „präventiv“ die Verbreitung hochinfektiöser Corona-Varianten in Deutschland zu verhindern, sagte er. „Wir müssen vor die Lage kommen.“
Die Pläne seien zwischen den Bundesministerium derzeit in der Ressortabstimmung, die bis Freitag abgeschlossen werden solle, sagte Seehofer. Ziel sei es, „aus diesen Ländern – also Mutationsgebieten – die Einreise zu untersagen“.
Derzeit würden mit anderen Ministerien noch Ausnahmen für bestimmte Gruppen diskutiert, sagte Seehofer. Dazu könnten deutsche Staatsbürger und Menschen gehören, die im Güterverkehr arbeiten. Bei weiteren Ausnahmen sei er „sehr zurückhaltend“, sagte er. „Das Ganze muss ja auch wirklich wirksam sein.“
Seehofer zufolge würden die Reiseverbote alle Verkehrswege betreffen: Luft-, Bahn-, Straßen- und Seeverkehr. Ob sie etwa zum Verbot aller Flugreisen aus einem Land führten, hänge von den beschlossenen Ausnahmen ab, sagte der CSU-Politiker.
Gearbeitet werde derzeit auch noch an einer fachlichen Definition von Mutationsgebieten, damit die Beschränkungen gegebenenfalls schnell auf andere betroffene Länder ausgeweitet werden könnten, sagte Seehofer. Er wollte sich nicht festlegen, wie lange die Beschränkungen aufrecht erhalten werden müssen. Dies sei vom Infektionsgeschehen abhängig.
In Brüssel wurde der deutsche Alleingang kritisch betrachtet. Auch die EU-Kommission habe empfohlen, auf nicht notwendige Reisen zu verzichten, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. „Aber ich denke auch, dass wir nicht zu drastische Maßnahmen ergreifen sollten.“
Reisebeschränkungen dürften nicht „die wirtschaftliche Erholung und die Bedeutung eines gut funktionierenden Gesundheitssystems behindern“, warnte Johansson vor Beratungen der EU-Innenminister in einer Video-Konferenz. Menschen müssten zudem die Möglichkeit haben, „ihre Angehörigen zu treffen“. Brüssel plädiere für einen „harten Ansatz“, es müsse aber ein „ausgewogener Ansatz“ sein.
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich vergangene Woche auf striktere Reisebeschränkungen zur Eindämmung der Pandemie verständigt. Von nicht unbedingt notwendigen Reisen sollte demnach nachdrücklich abgeraten werden, die Grenzen aber grundsätzlich für Grenzpendler und den Warenverkehr offen bleiben.
Die EU-Kommission stellte am Montag einen Vorschlag zur Umsetzung vor. Reisende aus Hochrisikogebieten sollten demnach vor der Abreise einen Test machen und sich bei der Ankunft in Quarantäne begeben. Ausnahmen sollte es für Grenzpendler oder für die Pflege von Angehörigen geben.