Die Deutsche Bahn hat die Lokführergewerkschaft GDL im andauernden Streit um ein Corona-Tarifpaket zu neuen Verhandlungen aufgerufen. „Wir fordern die GDL auf, von Ablenkungsmanövern abzusehen, nun Verantwortung zu übernehmen und an den Verhandlungstisch zu kommen“, erklärte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler am Mittwoch. Der Konzern brauche in seiner größten Krise dringend „eine ökonomisch vernünftige und sozial nachhaltige Lösung“ mit der Gewerkschaft.
Während sich die Bahn mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im September auf ein Corona-Tarifpaket geeinigt hatte, war eine Schlichtung mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) im November gescheitert. Die Lokführergewerkschaft hatte außerordentliche Tarifverhandlungen und Zugeständnisse in der Krise abgelehnt und Struktur- und Managementprobleme der Bahn kritisiert. Seiler warf der GDL am Mittwoch vor, unberechtigt Tarifthemen mit Strukturfragen und politischen Forderungen zu vermischen.
Die letzten maßgeblichen Verträge zwischen den zerstrittenen Tarifparteien laufen Ende Februar aus, dann endet auch die Friedenspflicht. GDL-Chef Claus Weselsky hatte bereits kurz nach der geplatzten Corona-Tarifschlichtung mögliche Streiks ins Spiel gebracht. Umso mehr pocht die Bahn auf eine schnellstmögliche Einigung.
Gleichzeitig kündigte der Konzern am Mittwoch an, künftig das sogenannte Tarifeinheitsgesetz in seinen Betrieben anwenden zu müssen: Es sieht vor, dass im Grundsatz für eine Beschäftigtengruppe in einem Unternehmen nur der Tarifvertrag mit der mitgliederstärksten Gewerkschaft gilt.
Von insgesamt rund 300 Betrieben unter dem Dach der Deutschen Bahn ist nach Konzernangaben in 65 Betrieben neben der EVG auch die GDL aktiv. Dort will die Bahn nun prüfen, welche Gewerkschaft jeweils die meisten Mitglieder zählt und maßgeblich für Tarifregelungen ist. Der Konzern strebt nach eigenen Angaben dennoch „eine geordnete Koexistenz“ von GDL und EVG mit gemeinsamen Diskussionen an.
Aus Weselskys Sicht allerdings will die Bahn seine Gewerkschaft auf Basis des Tarifeinheitsgesetzes „eliminieren“. Er hatte angekündigt, bis Ende Februar genügend Mitglieder aus allen Bereichen des Bahnsystems und damit die nötige Mehrheit zu gewinnen, um EVG-Verträge zu verdrängen und eigene Vorschläge durchzubringen.