DIW-Präsident Fratzscher sagt Welle von Unternehmenspleiten voraus

Symbolbild: Insolvenz
Symbolbild: Insolvenz

Die Corona-Krise wird nach Ansicht von Fachleuten die deutsche Unternehmenslandschaft weitreichend verändern. Die Frage sei nicht, „ob eine Welle an Unternehmensinsolvenzen kommen wird, sondern wann“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der „Augsburger Allgemeinen“ vom Samstag. Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, rechnet mit einer hohen Zahl von Übernahmen und Fusionen.

„Die zweite Welle wird härter“, sagte DIW-Chef Fratzscher mit Blick auf die Lage in der Corona-Pandemie. „Je länger es dauert, desto mehr Unternehmen kommen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten, desto mehr werden pleite gehen.“ 

Es drohe eine Welle von Unternehmenspleiten, gekoppelt mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit, sagte Fratzscher. Dennoch sei es richtig, den Lockdown zu verlängern. Auch für die Wirtschaft müsse es oberste Priorität haben, dass die zweite Infektionswelle möglichst schnell begrenzt werde: „Wirtschaftliche Lockerungen jetzt mögen kurzfristig manchen nutzen, langfristig würden sie jedoch allen schaden.“

Fratzscher warf der Politik Versäumnisse beim Krisenmanagement vor: Deutschland habe sich nicht ausreichend auf die zweite Corona-Welle vorbereitet. So sei beispielsweise bei Schulen das digitale Angebot nicht ausreichend erweitert worden.

Zudem habe die Politik in der zweiten Welle zu spät gehandelt: „Wenn Bundes- und Landesregierungen auf die zweite Welle frühzeitig Mitte Oktober reagiert hätten, hätte man sicherlich Menschenleben retten und Schaden von der Wirtschaft fernhalten können.“

Am Arbeitsmarkt ist die Lage laut Fratzscher schlechter, als viele glauben. „Fast 600.000 regulär sozialversicherungspflichtig Beschäftigte haben 2020 ihre Arbeit verloren“, sagte er. Dazu kämen aber rund 850.000 Minijobber, die „in keiner Arbeitslosenstatistik auftauchen, die kein Anrecht auf Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld haben“. Zugleich erlitten unzählige der rund zweieinhalb Millionen Solo-Selbstständigen massive Einbußen.

Das Bundeskartellamt erwartet in diesem Jahr wegen der wirtschaftlichen Krise deutlich mehr Übernahmen und Fusionen als in den Vorjahren. „Es ist viel Liquidität im Markt, während gleichzeitig viele Unternehmen auch coronabedingt Schwierigkeiten haben“, sagte Behördenpräsident Mundt der „Rheinischen Post“ vom Samstag. Er rechne mit einer Reihe an schwierigen Verfahren: „Aus dieser Gemengelage können nicht nur viele, sondern durchaus auch wettbewerblich heikle Verfahren entstehen.“

Er lehne es ab, Zusammenschlüsse nur lasch zu prüfen, weil Unternehmen wegen Corona in der Krise sind, sagte Mundt. „Fusionskontrolle ist Strukturkontrolle, die auf die Zukunft gerichtet ist. Daher dürfen wir keinen anderen Maßstab als in der Vergangenheit anlegen.“

Seine Behörde werde außerdem kritisch prüfen, falls Unternehmen aus China die aktuellen Turbulenzen nutzen sollten, um deutsche Firmen zu kaufen: „Wir werden künftig viel stärker darauf achten müssen, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen durch staatlich subventionierte Übernahmen gibt“, kündigte Mundt an.

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