Nach einer monatelangen Hängepartie will die CDU am Samstag auf ihrem ersten Digital-Parteitag entscheiden, wer für die scheidende Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer an die Parteispitze rückt. Über die Kanzlerkandidatur der Union wird noch nicht entschieden, doch der künftige CDU-Vorsitzende hat zumindest Chancen, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nachzufolgen. Ein Überblick über Werdegänge und Chancen der drei Kandidaten:
ARMIN LASCHET
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident wurde lange als Favorit für den Parteivorsitz gehandelt. Als geschickter Schachzug galt vor allem, mit dem zuvor ebenfalls als Kandidaten gehandelten Jens Spahn im Team anzutreten. Inzwischen wird allerdings über eigene Ambitionen des beliebten Gesundheitsministers auf die Kanzlerkandidatur spekuliert. Seine einstige Favoritenrolle büßte Laschet vor allem in der Corona-Pandemie ein, weil sein Krisenmanagement manchem gerade anfangs als zu zögerlich galt.
In Umfragen lag der Rheinländer zuletzt sogar hinter seinen Konkurrenten Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Doch aussichtslos sind seine Chancen beim Parteitag keineswegs, denn dort entscheiden die 1001 Delegierten. Der Düsseldorfer Regierungschef stand immer loyal an der Seite Merkels und warb zuletzt auch ausdrücklich damit, deren Kurs fortsetzen zu wollen.
In Nordrhein-Westfalen galt der 59-Jährige lange nicht als Mann für höchste Ämter. So bewarb sich der frühere Journalist und Ex-Geschäftsführer eines Aachener Verlags 2010 noch vergeblich um den Fraktions- und Parteivorsitz – im Kampf um die Parteispitze unterlag er damals ausgerechnet Röttgen. Nach dessen Niederlage bei der Landtagswahl 2012 rückte Laschet zum CDU-Landesvorsitzenden und stellvertretenden Bundesvorsitzenden auf. Seit 2017 ist der verheiratete Vater von drei Kindern Ministerpräsident.
FRIEDRICH MERZ
Als Mann der Parteibasis präsentiert sich der frühere Unionsfraktionschef gerne. Als der eigentlich im Dezember vorgesehene Parteitag wegen der Corona-Pandemie verschoben wurde, polterte Merz gegen das „Establishment“ in Berlin. Öffentlich spekulierte er darüber, dass er verhindert werden solle.
Der selbstbewusste Jurist, der schon früher immer wieder mit provokanten Äußerungen aneckte, war bis vor zwei Jahren aus der aktiven Politik praktisch verschwunden. Im Jahr 2009 hatte sich der 65-jährige Sauerländer zurückgezogen und sich auf seine Arbeit als Anwalt einer internationalen Wirtschaftskanzlei konzentriert. 2018 bewarb er sich nach dem Rückzug Merkels um den CDU-Vorsitz, unterlag aber knapp Kramp-Karrenbauer.
Nun will er es im zweiten Anlauf schaffen. Der Vater von drei Kindern wird dabei wohl stark darauf setzen, mit seiner wirtschaftsliberalen und konservativen Haltung genug Rückendeckung zu bekommen. Sollte er gewinnen, wäre dies ein fulminantes Comeback nach langen Jahren außerhalb des Parlaments. Seine Zeit als Unionsfraktionschef von 2000 bis 2002 liegt sogar fast 20 Jahre zurück. Verdrängt wurde er auf dem Posten damals von Merkel.
NORBERT RÖTTGEN
Der frühere Bundesumweltminister galt lange als klarer Außenseiter im Rennen um den Parteivorsitz. Doch in Umfragen holte Röttgen auf, schob sich sogar vor Laschet auf den zweiten Platz. Geschickt fand er in den vergangenen Wochen seine Rolle zwischen den Kontrahenten Laschet und Merz.
Während der NRW-Ministerpräsident als Liberaler in der Union gilt und der Ex-Fraktionschef klar auf dem konservativen Flügel verortet wird, will sich Röttgen keiner Seite zuordnen lassen. Offensiv wirbt der 55-jährige Jurist damit, die Union jünger, weiblicher und digitaler machen zu wollen.
Zwar war der Vater von drei Kindern nicht wie Merz zeitweilig ganz aus der aktiven Politik verschwunden, aber auch sein Sprung an die Parteispitze wäre ein vor Jahren kaum für mögliches gehaltenes Comeback: Im Jahr 2012 entließ Kanzlerin Merkel ihn als Umweltminister, nachdem er bei der NRW-Wahl als CDU-Spitzenkandidat krachend verloren hatte. Nach und nach arbeitete er sich danach wieder hoch, seit 2014 ist er Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags. Als Außenseiter gilt Röttgen nun bei der Wahl zum CDU-Vorsitzenden zwar noch immer, aber längst nicht mehr als Zählkandidat.