Angesichts des schleppenden Corona-Impfstarts hat ein Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina der Bundesregierung schwere Versäumnisse bei der Beschaffung von Impfstoff vorgeworfen. „Ich halte die derzeitige Situation für grobes Versagen der Verantwortlichen“, sagte die Neurologin Frauke Zipp der Zeitung „Die Welt“ (Samstagausgabe). „Warum hat man im Sommer nicht viel mehr Impfstoff auf Risiko bestellt?“, hob Zipp hervor, die Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz ist und die rheinland-pfälzische Landesregierung berät.
„Vor kurzem gab es noch offizielle Totengedenken, jetzt zählt offenbar nicht mehr jeder Tag, an dem Menschenleben gerettet werden könnten. Jetzt wird Geduld eingefordert“, kritisierte Zipp mit Blick auf die Impfungen. In Deutschland könne bei genügend verfügbarem Impfstoff eine Durchimpfung von 60 Prozent der Bevölkerung in zwei bis drei Monaten gelingen, meinte Zipp.
„Die Kritik an der Impfstoffbeschaffung ist sehr ernst zu nehmen“, sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing der „Welt“. „Wir sehen am Beispiel Israels und anderer Länder, dass es möglich ist, schneller zu impfen. Die Bundesregierung muss sehr gut erklären, warum das in Deutschland so schleppend läuft.“
Auch Linken-Chef Bernd Riexinger zeigte sich „schon ein wenig verwundert, wie wenig Impfdosen die EU bestellt hat“. Die Bundesregierung sollte nun „schnell Lizenzen zur Nachproduktion des Biontech/Pfizer Impfstoffes vergeben“. Das liege direkt in der Hand von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die Virusmutation in Großbritannien mache deutlich: „Eine erfolgreiche Impfstrategie ist eben auch ein Wettlauf gegen die Zeit.“
Kordula Schulz-Asche von der Grünen-Bundestagsfraktion sagte der „Welt“, dass es „aus heutiger Sicht sicher besser gewesen wäre, mehr und verschiedene Impfstoffe bei den über 100 Entwicklern auf Risiko zu bestellen“. Allerdings verwies sie darauf, dass sich im Sommer auch das Biontech-Vakzin noch in den Testphase befunden habe.