Die Nebenklage im Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke geht von einer direkten Tatbeteiligung des Mitangeklagten Markus H. aus. „Ohne H. hätte es den Mord an Lübcke nicht gegeben“, sagte der Anwalt der Familie Lübcke, Holger Matt, am Dienstag in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main.
Seine psychische Unterstützung des Hauptangeklagten Stephan E. sei bewiesen. Die Familie Lübcke stütze sich in ihrer Überzeugung für H.s Mittäterschaft auf E.s drittes Geständnis sowie seinen Angaben aus dem November und Dezember.
Darin hatte E. ausgesagt, dass er geschossen habe, H. aber zum Tatzeitpunkt auch am Tatort gewesen sei. Diese Aussage sei ein „knallharter Beweis“, sagte Matt. Dass H. im Oktober mangels Beweisen für seine Beihilfe aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, habe die Familie entsetzt.
Am Anfang des Verfahrens sei die Alleintäterschaft verfolgt worden, weil es keine andere Tatortspuren gegeben habe, sagte Matt. „Heute glauben wir indes, dass das nicht richtig ist.“ Matt kritisierte, dass die Gartenmöbel Lübckes nicht auf Schmauchspuren untersucht worden seien. „Dadurch hätten die Angaben von E. zusätzlich verifiziert oder falsifiziert werden können.“
Ende vergangenen Jahres hatte E. Fragen der Hinterbliebenen Lübckes, des Senats und der Bundesanwaltschaft beantwortet. „Wir glauben, das erfolgte in allen wesentlichen Punkten des Kerngeschehens nach bestem Wissen und Gewissen“, sagte Matt.
Die Aussageentwicklung E.s von seiner ersten Einlassung im Juni 2019 bis zu seinen Angaben im dritten Geständnis sei ein „echter Erfolg für das Gericht“. Man dürfe ihm nicht vorwerfen, vorher etwas anderes ausgesagt zu haben. Zahlreiche Indizien hätten die Aussagen E.s bestätigt.
Matt warf den Verfassungsschutzbehörden mit Blick auf die als Rechtsextremisten bekannten Angeklagten ein „Komplettversagen“ vor. Der Staat dürfe nie wieder „auf dem rechten Auge blind“ agieren.
In seinem Plädoyer stellte Matt keine konkrete Strafforderung. Sollten beide Angeklagte wegen gemeinschaftlichen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt werden, sei auch bei H. eine besondere Schwere der Schuld festzustellen. Ansonsten sei der Antrag der Bundesanwaltschaft angemessen.
Die Anklagebehörde hatte im Dezember lebenslange Haft für E. mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gefordert. Zudem plädierte sie auf eine anschließende Sicherungsverwahrung. Für H. forderte die Bundesanwaltschaft wegen psychischer Beihilfe zum Mord und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz neun Jahre und acht Monate Haft.
Der Prozess gegen E. und H. begann im Juni. Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni 2019 tot auf seiner Terrasse im nordhessischen Wolfhagen-Istha gefunden worden. E. soll ihn aus rechtsextremen Motiven getötet haben.
E. ist neben dem Mord an Lübcke wegen eines versuchten Mordes an einem irakischen Flüchtling im Januar 2016 angeklagt. Dieser tritt im Prozess ebenfalls als Nebenkläger auf. Sein Anwalt Alexander Hoffmann sah E.s Schuld an der Tat am Dienstag als erwiesen an. Mit einem Freispruch werde sein Mandant vom Gericht im Stich gelassen, sagte Hoffmann. Es sei wichtig, dass er Unterstützung aus der Gesellschaft bekomme.