Nawalny steht langwieriger und gefährlicher Machtkampf gegen Kreml bevor

Alexej Nawalny - Bild: Evgeny Feldman / CC BY-SA
Alexej Nawalny - Bild: Evgeny Feldman / CC BY-SA

Mit Massendemonstrationen, Enthüllungsvideos und nicht zuletzt durch seine eigene Verhaftung schafft es der wichtigste Gegner von Russlands Präsident Wladimir Putin, Alexej Nawalny, den Kreml auch aus seiner Gefängniszelle heraus unter Druck zu setzen. Der Kampf des Oppositionellen gegen die Regierung dürfte aber langwierig und vor allem gefährlich werden. 

Für kommendes Wochenende haben Nawalny-Unterstützer erneut landesweit zu Protesten aufgerufen. Auch wenn die russische Regierung die Ereignisse kleinreden möchte – für den Kreml ist die Protestbewegung alles andere als unbedeutend. Im September stehen Parlamentswahlen an und die Kreml-Partei Geeintes Russland hat massiv an Unterstützung verloren. Zudem machen ihr Korruptionsvorwürfe zu schaffen. 

In diesem Kontext war bereits die Rückkehr Nawalnys nach Russland am 17. Januar ein Schlag für die Regierung. Nawalny hatte Putin zuvor für den Giftanschlag auf ihn verantwortlich gemacht, in dessen Folge Nawalny fünf Monate in Deutschland behandelt wurde. Der zweite Schlag waren zehntausende Demonstranten in zahlreichen russischen Städten am vergangenen Samstag, die dem Aufruf Nawalnys zu Massenprotesten gegen seine Verhaftung gefolgt waren. Und schließlich veröffentlichten Nawalnys Unterstützer auch noch ein mittlerweile 85 Millionen Mal angeklicktes Video, das Putin vorwirft, sich einen verschwenderischen Palast an der Schwarzmeerküste errichtet zu haben. 

Am Montag sah sich der Präsident sogar zu einer persönlichen Klarstellung genötigt: „Nichts von dem, was hier als mein Besitz aufgeführt wird, gehört mir oder meinen engen Verwandten, und das hat es auch niemals“, sagte Putin während eines Video-Gesprächs mit Studenten. 

Der Kreml, der Nawalny zuvor als „Blogger, der niemanden interessiert“ bezeichnet hatte, erklärte am Sonntag im Fernsehen: „Der Palast existiert, (…) aber was hat das mit dem Präsidenten zu tun?“ Bezüglich der Massenproteste sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow: „Es sind wenige Menschen auf die Straße gegangen, viele Menschen wählen Putin.“

Der Politikwissenschaftler Alexej Kolesnikow vom Carnegie-Center in Moskau erwartet, dass die Demonstrationen weitergehen. Für „Euphorie“ sei es aber zu früh. Die Regierung verfüge über „große Ressourcen, um ihr Überleben zu sichern“. Ein Vorteil des Kremls sei die „Gleichgültigkeit einer Mehrheit der Bevölkerung“, sagte Kolesnikow. 

Die Sicherheitsbehörden reagierten auf die Demonstrationen entschieden: Bei den Protesten am Wochenende nahmen sie mehr als 3500 Menschen fest – laut der Bürgerrechtsorganisation OWD Info ein Rekord in der jüngeren Geschichte des Landes. Landesweit leiteten die Behörden Ermittlungen ein, etwa wegen Gewalt gegen Polizeibeamte oder der Störung der öffentlichen Ordnung – Vergehen, die mit Freiheitsentzug bestraft werden können. Demonstranten in Moskau könnten zudem Schneeballwürfe auf Polizisten teuer zu stehen kommen. 

Nawalny selbst muss sich gleich mehreren Prozessen stellen. Am 2. Februar droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe weil er durch seine Ausreise nach Deutschland im August gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben soll, auch wenn er wegen seiner mutmaßlichen Vergiftung damals im Koma lag. Außerdem wird gegen ihn wegen Betrugs ermittelt und am 5. Februar muss er sich vor Gericht wegen Verleumdung verantworten. 

Russische Medien wie das vom Kreml kontrollierte Staatsfernsehen versuchen derweil, die Organisatoren der Proteste zu diskreditieren. Weil die Demonstranten sich maßgeblich über Online-Netzwerke wie TikTok organisieren, das vor allem bei Jugendlichen beliebt ist, sprach der Moderator Dmitri Kissiljow in der politischen Sonntagssendung Westi Nedeli von „politischer Pädophilie“. Der russische Untersuchungsausschuss ermittelt wegen „Anstiftung von Minderjährigen zu illegalen Handlungen, die ihr Leben gefährden könnten“. 

Unterstützung für Nawalny kommt aus dem Ausland: Seit Dezember verfügt die EU über einen eigenen Sanktionsrahmen bei Menschenrechtsverletzungen. Das Europaparlament und einige Mitgliedstaaten forderten, dieses Instrument nun wegen der Festnahme Nawalnys erstmals gegen Russland einzusetzen.

Dennoch gesteht auch der Putin-Vertraute Leonid Wolkow ein, dass der Kampf „schwierig“ sein werde.

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