US-Präsident Trump nach Ausschreitungen in Washington extrem unter Druck

US-Präsident Donald Trump - Bild: Tia Dufour/White House
US-Präsident Donald Trump - Bild: Tia Dufour/White House

Nach der Erstürmung des US-Kapitols steht Präsident Donald Trump zunehmend unter Druck: Der abgewählte Staatschef verurteilte nach langem Zögern den Angriff seiner Anhänger auf den Kongresssitz und kündigte am Freitag an, nicht an der Vereidigung seines Nachfolgers Joe Biden teilzunehmen. Dennoch werden die Rufe nach seiner Absetzung noch vor dem Amtswechsel im Weißen Haus immer lauter.

Trump wird vorgeworfen, für den Gewaltexzess im Kapitol mitverantwortlich zu sein, nachdem er seine Anhänger bei einem Auftritt in Washington mit unbelegten Wahlbetrugs-Vorwürfen angestachelt und zum Marsch auf das Kongressgebäude aufgerufen hatte. Am Donnerstag bemühte er sich, die Wogen zu glätten. Trump kritisierte in einer Videobotschaft auf Twitter „die Gewalt, die Gesetzesbrüche und das Chaos“ und rief zur „Versöhnung“ und „Heilung“ auf. 

Am Mittwoch hatte es Trump noch unterlassen, den Sturm auf den Kongress explizit zu verurteilen. In seiner neuen Videobotschaft bekräftigte Trump nun auch, dass er einen „reibungslosen, geordneten und nahtlosen“ Übergang zu „der neuen Regierung“ sicherstellen werde. Damit räumte er so explizit wie bislang nie ein, dass seine Präsidentschaft zu Ende geht. Die Ausübung des Präsidentenamtes sei die größte „Ehre meines Lebens“ gewesen, sagte Trump. 

An der Vereidigung des neugewählten Präsidenten Biden am 20. Januar will Trump jedoch nicht teilnehmen. „An alle, die gefragt haben: Ich werde nicht zur Amtseinführung am 20. Januar gehen“, teilte er am Freitag auf Twitter mit. Trump wäre der erste US-Präsident seit 1869, der der Vereidigung seines Nachfolgers nicht beiwohnt. 

Der Kongress hatte in der Nacht zum Donnerstag den Wahlsieg Bidens formell bestätigt. Wegen der Ausschreitungen, bei denen fünf Menschen ums Leben kamen, hatten Repräsentantenhaus und Senat ihre Sitzung zuvor stundenlang unterbrechen müssen. 

Eine Demonstrantin wurde im Kapitol von der Polizei erschossen, drei weitere Menschen kamen bei medizinischen Notfällen im Umfeld des Parlamentssitzes ums Leben. Am Donnerstagabend erlag außerdem ein bei den Ausschreitungen verletzter Polizist seinen Verletzungen.

Der Chef der Kapitol-Polizei, Steven Sund, zog die Konsequenzen aus dem fehlgeschlagenen Sicherheitskonzept. Er werde sein Amt in den nächsten Tagen aufgeben, verlautete aus Polizeikreisen. 

Nach der beispiellosen Randale traut die Anführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, Trump offenbar alles zu. Sie habe mit US-Generalstabschef Mark Milley beraten, wie verhindert werden könne, dass „ein instabiler Präsident militärische Kampfhandlungen einleitet oder auf die Abschusscodes zugreift und einen Atomschlag befiehlt“, erklärte sie am Freitag.

Die Demokraten verlangen die vorzeitige Absetzung Trumps auf Grundlage des Zusatzartikels 25 der US-Verfassung. Dieser ermöglicht es, einen Präsidenten für amtsunfähig zu erklären. Vizepräsident Mike Pence und mehrere Kabinettsmitglieder lehnen dies laut „New York Times“ jedoch ab, weil damit nach ihrer Ansicht das „derzeitige Chaos“ in Washington eher vergrößert als eingedämmt würde. 

Die Anwendung des Zusatzartikels 25 ist nicht möglich, wenn der Vizepräsident dies verweigert. Pelosi kündigte jedoch bereits an, werde der Verfassungszusatz nicht angewendet, dann werde der Kongress ein neues Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einleiten.

In Trumps Regierung setzten sich die Absetzbewegungen derweil fort. Am Donnerstag erklärte Bildungsministerin Betsy DeVos ihren Rücktritt. Zuvor waren bereits Verkehrsministerin Elaine Chao und weitere Regierungsvertreter zurückgetreten.

Um den scheidenden Präsidenten wird es damit zunehmend einsam. Der republikanische Senator Ben Sasse empfahl Trump im Radiosender NPR den Rücktritt: „Ich denke, je weniger der Präsident in den nächsten zwölf Tagen tut, desto besser.“

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