Das lebendige Forschungslabor: Israel liefert Biontech wichtige Gesundheitsdaten

Biontech-Impfstoff
Biontech-Impfstoff

Israel kommt weltweit am schnellsten mit den Corona-Impfungen voran. Dass das Land genügend Impfdosen hat, liegt nicht nur daran, dass es dem Mainzer Unternehmen Biontech und dessen US-Partner Pfizer mehr pro Dosis zahlt als etwa die EU. Außer Geld hat Israel dem Pharmaunternehmen noch etwas anderes zu bieten: Massenhaft Gesundheitsdaten seiner Bürger über Corona-Infektionen und Impfungen, die Rückschlüsse auf deren Wirksamkeit ermöglichen.

Seit Dezember haben 35 Prozent der neun Millionen Israelis die erste Impfung erhalten, 1,8 Millionen auch schon die zweite Spritze. Zunächst wurden vor allem Menschen über 60 geimpft, dann wurde die Altersbegrenzung auf 35 Jahre gesenkt – und seit Donnerstag können alle ab 16 Jahre einen Impftermin vereinbaren.

Israel hat eines der modernsten medizinischen Datensysteme der Welt und liefert den Pharmakonzernen Echtzeitinformationen zur Immunisierung. Beste Voraussetzung, um zu erforschen, wie sich der in Studien erprobte Impfstoff unter realen Bedingungen bewährt.

Dabei müsse zwischen zwei Wirkungen unterschieden werden, sagt Ran Balicer, Vorsitzender des israelischen Expertengremiums zu Covid-19: „Zum einen gibt es den direkten Effekt, der den Einzelnen gegen symptomatische Erkrankungen und schwere Krankheiten schützt“ und „zum anderen den indirekten Effekt, der entsteht, wenn ein bestimmter Anteil der Bevölkerung geimpft ist und eine Barriere bildet, mit deren Hilfe die Übertragungen abnehmen.“

Die Impfung reduziere auf jeden Fall schwere Covid-19-Fälle, sagt Balicer. Die Frage nach der Herdenimmunität aber bleibe offen.

Forscher des Maccabi-Instituts, einer Einrichtung des zweitgrößten israelischen Krankenversicherers, kommen in ihrer jüngsten Studie zu dem Schluss, dass die erste Impfung 13 bis 24 Tage danach Infektionen um 51 Prozent reduziert. „Zwei Wochen nach der ersten Dosis sieht man einen signifikanten, aber keinen vollständigen Rückgang der Infektionen“, sagt Mitautor Gabriel Chodick. Deshalb sei es wichtig, ein zweites Mal zu impfen.

Weil der Impfstoff knapp ist, verschieben einige Länder die zweite Impfung, um möglichst viele Risikopersonen zumindest einmal zu impfen. Der Hersteller Biontech/Pfizer sieht die zweite Gabe nach drei Wochen vor; Israel hält sich an diese Vorgabe.

Das Maccabi-Institut veröffentlichte auch erste Daten zur Wirkung der zweiten Impfdosis. Demnach wurden bei den 248.000 untersuchten vollständig Geimpften eine Woche nach der zweiten Dosis nur 66 leichte Coronavirus-Infektionen registriert.

Informationen, ob Geimpfte das Virus in sich tragen, ohne Symptome zu zeigen, gibt es nicht. Dazu müssten zufällig ausgewählte Geimpfte auf das Virus getestet werden. In Israel werden aber nur Tests gemacht, wenn jemand Symptome zeigt.

Trotz der Impfkampagne verzeichnet Israel weiterhin täglich mehr als 5.000 Neuinfektionen. Seit Ende Dezember befindet sich das Land außerdem wieder im Lockdown, der allerdings nicht konsequent umgesetzt wird – vor allem bei ultra-orthodoxen Juden, die regelmäßig gegen die Corona-Regeln verstoßen.

„Die Zahl der neuen positiven Corona-Fälle pro Tag hat in den vergangenen eineinhalb Monaten nicht abgenommen“, sagt der renommierte Experte Gabi Barbasch vom Weizmann-Institut für Wissenschaften. „Liegt das daran, dass der Lockdown kein echter Lockdown ist, oder dass der Impfstoff die Übertragung des Virus nicht reduziert? Im Moment kann das niemand sagen.“

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