Die Luft wird sauberer – aber Sorgen bleiben

Symbolbild: Umweltschutz
Symbolbild: Umweltschutz

Die Luft in Deutschland wird besser: Im vergangenen Jahr wurde der Grenzwert für Stickstoffdioxid nur noch in wenigen Städten überschritten, darunter in München und Hamburg. Ein Corona-Effekt durch den im ersten Lockdown rückläufigen Verkehr fällt dabei allerdings kaum ins Gewicht – Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hob deshalb am Dienstag hervor, dass der „sehr erfreuliche“ Rückgang auf die Erfolge umweltpolitischer Maßnahmen zurückzuführen sei. Auch beim Feinstaub sanken die Werte. 

Die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid (NO2), die in den vergangenen Jahren angesichts der Grenzwertüberschreitungen in dutzenden Städten zu zahlreichen juristischen Auseinandersetzungen um Luftreinhaltepläne und hitzigen Fahrverbotsdebatten geführt hatte, stammt in Ballungsgebieten zum Großteil von Dieselautos. Laut Umweltbundesamt bewirkten im Jahr 2020 nun Softwareupdates und insbesondere sauberere Fahrzeuge im Zuge einer Flottenerneuerung eine „deutliche Minderung“ von zusammen rund drei Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter.

In der EU vorgeschrieben ist bei NO2 ein Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Noch 2018 war dieser Wert in 57 Städten zum Teil erheblich überschritten worden, 2019 dann in 25 Städten. 

Umweltministerin Schulze betonte nun, dass innerhalb von nur zwei Jahren die Luftqualität in etwa 47 der 57 Städte unter den Grenzwert gebracht werden konnte. „Das zeigt: Unsere Maßnahmen wirken.“ 

„Wir haben europaweit vorgeschrieben, dass neue Dieselfahrzeuge nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch auf der Straße die Grenzwerte einhalten müssen“, sagte die Ministerin weiter. „Das macht sich jetzt bemerkbar.“ Zudem verwies sie unter anderem auf die Nachrüstung von Dieselbussen im ÖPNV.

Laut Umweltbundesamt (UBA) liegen den bisher vorliegenden Daten der Messstationen zufolge „auf jeden Fall“ München und Hamburg über dem Grenzwert mit einem Jahresmittelwert von 54 beziehungsweise 41 Mikrogramm NO2. Nach Auswertung der Daten von etwa 140 Passivsammlern, die noch im Labor analysiert werden müssen und deren Ergebnisse erst im Mai vorliegen werden, seien für 2020 jedoch „Überschreitungen in weiteren Städten wie zum Beispiel Stuttgart zu erwarten“.

Mit Blick auf die Corona-Pandemie erläuterte UBA-Präsident Dirk Messner, dass es während des Lockdowns im Frühjahr zwar einen „stark verminderten Straßenverkehr“ mit einem Rückgang von 20 bis 30 Prozent und entsprechend weniger NO2-Ausstoß gegeben habe. In Bezug auf das gesamte Jahr hätten sich aber kaum Auswirkungen dieses Corona-Effekts beobachten lassen. „Das heißt im Positiven: Was wir an Fortschritten erreicht haben, ist im Wesentlichen auf Umweltpolitik zurückzuführen“, sagte er.

Besorgt äußerte sich Messner aber mit Blick auf den Feinstaub. Zwar sei 2020 das am geringsten mit Feinstaub belastete Jahr seit Beginn der Feinstaubmessungen Ende der 90er Jahre gewesen; deutschlandweit wurden die Grenzwerte demnach eingehalten. Allerdings seien die Feinstaub-Grenzwerte mehr als 20 Jahre alt und bedürften einer Anpassung an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Messner verwies darauf, dass laut Schätzungen der europäischen Umweltagentur im Jahr 2018 in Deutschland 63.000 verfrühte Todesfälle oder 710.900 verlorene Lebensjahre auf Feinstaubbelastung mit besonders feinen Partikeln zurückgeführt werden könnten. 

Nötig sei nun, besonderes Augenmerk auf Partikelemissionen aus dem Abrieb von Bremsscheiben, Kupplungen und Reifen, auf die Emissionen aus Holzfeuerungen wie etwa Kaminöfen sowie die Feinstaubbelastung aus den Ammoniakemissionen der Landwirtschaft zu legen. Messner verwies zudem darauf, dass Feinstaubbelastung sich auch auf die „Resilienz“ – also die Widerstandsfähigkeit von Menschen etwa in Bezug auf schwere Erkrankungen nach einer Corona-Infektion – auswirken könne.

Nach Angaben von Schulze wird nun erwartet, dass die WHO Mitte des Jahres neue Vorschläge für Feinstaub-Grenzwerte macht, die dann im kommenden Jahr zu Vorschlägen von Seiten der EU für neue Grenzwerte führen könnten. 

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) äußerte sich besorgt, dass es nach dem aktuellen Lockdown wieder eine Zunahme des Pkw-Verkehrs und damit einen Wiederanstieg der Luftbelastung geben könnte. In den Städten müssten deshalb „beschleunigt“ Straßenflächen in geschützte Pop-up-Radwege umgewandelt und der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden, forderte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. 

Die FDP-Umweltexpertin Judith Skudelny erklärte, dass es „nicht die eine Maßnahme“ gebe, die auf alle Städte und Kommunen passe. „Die Grundrechtseingriffe durch Diesel-Fahrverbote sind nach wie vor nicht verhältnismäßig und müssen aufgehoben werden“, sagte sie. Spätestens wenn die Grenzwerte eingehalten würden, falle die Argumentationsgrundlage für Fahrverbote „vollkommen weg“. 

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