Die bisherige links-nationalistische Oppositionspartei Vetevendosje („Selbstbestimmung“) hat die vorgezogenen Parlamentswahlen im Kosovo mit einem Erdrutschsieg gewonnen. Nach Auszählung von 90 Prozent der Wahlzettel lag sie am Montagmorgen bei einem Stimmenanteil von rund 48 Prozent. Die Partei unter ihrem Vorsitzenden Albin Kurti rangierte damit deutlich vor den Zweit- und Drittplatzierten, die 17 beziehungsweise 13 Prozent der Stimmen erhielten.
Kurtis Partei konnte ihr Wahlergebnis seit der letzten Abstimmung 2019 fast verdoppeln. Die Demokratische Partei Kosovos (PDK), die Partei der ehemaligen Rebellen im Kosovo-Krieg, und die Mitte-rechts-Partei LDK erkannten ihre Niederlage am Abend an. Der scheidende Ministerpräsident Avdullah Hoti von der LDK kündigte an, die Rolle einer „konstruktiven Opposition“ im Parlament zu übernehmen.
In der Hauptstadt Pristina versammelten sich jubelnde Unterstützer von Vetevendosje, hupten und zündeten Feuerwerkskörper. Die Partei war bereits aus den beiden vorhergehenden Parlamentswahlen im Kosovo als stärkste Kraft hervorgegangen, beide Male aber schließlich an der Bildung einer stabilen Regierung gescheitert. Nach der letzten Wahl im Herbst 2019 hatte Vetevendosje nach zähen Verhandlungen eine Koalition mit der LDK gebildet. Doch nur 50 Tage später stürzte Kurti durch ein von der LDK initiiertes Misstrauensvotum.
Die LDK-Übergangsregierung unter Hoti musste ihrerseits gehen, nachdem das Verfassungsgericht ihre Wahl durch das Parlament für ungültig erklärt hatte.
„Dieser großartige Sieg gibt uns die Gelegenheit, die Änderungen herbeizuführen, die wir wünschen“, sagte Kurti in seiner Siegesrede. Der Wahlgang sei ein „Referendum über Gerechtigkeit und Beschäftigung, gegen Korruption und die Ausbeute der staatlichen Ressourcen“ gewesen. Seine Prioritäten in der zukünftigen Regierungstätigkeit lägen bei „der Gerechtigkeit und Arbeit“.
Kurti zählt zu einer neuen Generation von Politikern, die auf eine Ablösung der alten Garde im 1,8 Millionen Einwohner zählenden Kosovo dringt. Diese hatte die Politik der ehemaligen serbischen Provinz seit deren Unabhängigkeitserklärung dominiert.
Der 45-jährige ehemalige politische Häftling Kurti ist ein begnadeter Redner. Er ist besonders bei der Jugend und den im Ausland lebenden Kosovaren beliebt, die der alten Führung vorwerfen, nichts gegen die Armut getan zu haben und für die grassierende Korruption im Land mitverantwortlich zu sein.
Vetevendosje machte in den Jahren nach der Jahrtausendwende zunächst durch Straßenproteste auf sich aufmerksam. Die Partei betrieb eine Plattform gegen Korruption und warf der Führungselite, die nach dem Kosovo-Krieg an die Macht gelangt war, Verschwendung vor, während arme Leute in Not lebten. Das Durchschnittseinkommen im Kosovo liegt derzeit bei rund 500 Euro im Monat, die Jugendarbeitslosigkeit bei mehr als 50 Prozent. Viele junge Kosovaren wandern angesichts dieser Zustände nach Deutschland oder in die Schweiz aus.
Das gute Abschneiden von Kurtis Parei bei der Wahl wird auch auf seine Allianz mit der amtierenden Präsidentin Vjosa Osmani zurückgeführt. Die 38-Jährige trat jüngst aus der LDK aus und bildete mit Kurti ein charismatisches Duo. „Ich glaube, es ist an der Zeit, dass das Kosovo nicht nur von einer neuen, jüngeren Generation von Politikern geführt wird“, sagte Osmani der Nachrichtenagentur AFP vor der Wahl. Dabei gehe es auch um eine Erneuerung der „geistigen Haltung“.