Ethikrat sieht vorerst keine Grundlage für Erleichterungen für Geimpfte

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Der Deutsche Ethikrat sieht mögliche Erleichterungen für Menschen mit einer Corona-Schutzimpfung kritisch. Derzeit könne es wegen „der noch nicht verlässlich abschätzbaren Infektiosität“ der Geimpften „keine individuelle Rücknahme staatlicher Freiheitsbeschränkungen“ geben, urteilte das Expertengremium am Donnerstag. Mit fortschreitenden Impfungen sollten die derzeitigen Freiheitsbeschränkungen für alle gelockert werden. Politiker aus Koalition und Opposition begrüßten die Empfehlungen.

Zwar sei davon auszugehen, dass die Corona-Impfungen das Risiko mindern, das Virus weiterzutragen, sagte die Ethikrats-Vorsitzende Alena Buyx bei der Vorstellung der Stellungnahme in Berlin. Derzeit sei aber noch unklar, in welchem Ausmaß das der Fall sei. Weniger gravierende Maßnahmen wie die Pflicht zum Abstandhalten und das Tragen von Masken seien auch den Geimpften in jedem Fall zuzumuten.  

Der Rat stellte allerdings fest, dass private Veranstalter anders als der Staat „grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung sind, mit wem sie einen Vertrag schließen“. Das umfasse „prinzipiell auch die Möglichkeit, nach dem Impfstatus ihrer Gegenüber zu differenzieren“.

Einschränkungen der Vertragsfreiheit könnten allerdings dann gerechtfertigt sein, wenn der Zugang zu Angeboten für eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unerlässlich sei, führte der Ethikrat aus. Das gelte etwa für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr.

Die derzeitigen Corona-Einschränkungen seien solange gerechtfertigt, „wie die Versorgung schwer erkrankter Covid19-Patienten das Gesundheitswesen zu überlasten droht“, sagte Buyx weiter. Als Maßstab für die Rücknahme der allgemeinen Beschränkungen sollen den Empfehlungen zufolge primär die Situation in den Kliniken sowie schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle herangezogen werden. Die reinen Infektionszahlen sollen hingegen keine Rolle spielen.

Schnellstmöglich aufgehoben werden sollten nach Auffassung des Ethikrates mit fortschreitendem Impfprogramm die Isolationsmaßnahmen in Alten- und Pflegeheimen. Dies begrüßte die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Isolation, Einsamkeit und Einschränkungen würden dann ein Ende haben, wenn alle Pflegeheimbewohner die Möglichkeit hatten, ein Impfangebot anzunehmen, erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch.

Koalitionspolitiker begrüßten die Empfehlungen des Ethikrats. Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) nannte sie „schlüssig“. Er forderte zugleich, die Frage, ob Geimpfte das Coronavirus noch übertragen können, „wissenschaftlich vorrangig zu behandeln“.

SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas erklärte, besondere Regeln für Geimpfte „ergeben derzeit keinen Sinn“. Ziel sei es, so viele Menschen zu impfen, dass die Gefahr, die Krankenhäuser zu überlasten, nicht mehr drohe. „Dann können wir Schritt für Schritt Kontaktbeschränkungen für alle zurücknehmen.“ 

Der Linken-Gesundheitsexperte Achim Kessler stellte sich ebenfalls hinter die Empfehlungen des Ethikrates: Die Frage von Vergünstigungen und Ausnahmeregelungen für Geimpfte stelle sich bei der aktuellen Datenlage und dem Mangel an Impfstoffen nicht, erklärte er.

FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae nannte es „folgerichtig“, dass der Ethikrat die Freiheitseinschränkungen an die Infektionsgefahr knüpfe. „Sobald wissenschaftlich belegt ist, dass von Geimpften keine Infektionsgefahr mehr für andere ausgeht, lassen sich eingriffsintensive Grundrechtsbeschränkungen für sie nicht länger rechtfertigen“, betonte er.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erklärte, die Empfehlungen des Ethikrates seien ein „Türöffner“ für die Debatte über eine schrittweise Rückkehr zum gesellschaftlichen Normalzustand. Die Klarstellung, dass Unternehmen das Recht hätten, „Geimpften Zugang zu Leistungen zu ermöglichen, die Ungeimpften aus Pandemieschutzgründen nicht offenstehen“, biete „wertvolle Orientierung“.

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