Die EU zeigt sich zunehmend besorgt über die Lage in der äthiopischen Krisenregion Tigray. „Wir sind in einer Situation, die militärisch, mit Blick auf Menschenrechte und humanitär völlig außer Kontrolle ist“, sagte Finnlands Außenminister Pekka Haavisto, der jüngst im Auftrag der EU in Äthiopien war, am Dienstag vor Journalisten. Er warnte davor, dass fehlender Zugang für Hilfsorganisationen viele Menschen als Flüchtlinge nach Europa treiben könnte.
Der Konflikt in Tigray hatte Anfang November begonnen, als der äthiopische Regierungschef Abiy Ahmed einen Militäreinsatz gegen die dort regierende Volksbefreiungsfront TPLF startete. Vorausgegangen waren Vorwürfe, die TPLF habe Stellungen der Armee angegriffen. Tigray mit geschätzten sechs Millionen Einwohnern ist seit der Regierungsoffensive praktisch vom Rest der Welt abgeschnitten.
„Der Einsatz dauert seit mehr als drei Monaten an und es ist kein Ende in Sicht“, sagte Haavisto. Der finnische Außenminister war diesen Monat im Auftrag des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba gereist und hatte dort auch Regierungschef Abiy getroffen.
Die äthiopische Regierung habe kein „klares Bild“ von der Lage in Tigray vermitteln können. Auch zur Frage, inwieweit Truppen aus dem benachbarten Eritrea in den Konflikt verwickelt sind, habe es keine klare Antwort gegeben.
Die Regierungen in Addis Abeba und Asmara haben beide dementiert, dass eritreische Truppen an dem Konflikt beteiligt sind. Dies widerspricht allerdings Berichten von zahlreichen Augenzeugen. Die EU hat wie die USA den Rückzug der Truppen aus Eritrea gefordert.
Haavisto bekräftigte auch Forderungen an die äthiopische Regierung, vollständigen Zugang für humanitäre Hilfe in der Krisenregion zu gewähren. Der UNO zufolge sind Gebiete Tigrays mit rund 80 Prozent der Bevölkerung von jeglicher Hilfe abgeschnitten. Zehntausende Menschen flohen deshalb über die Grenze in den benachbarten Sudan.
Der finnische Außenminister warnte, dass der Sudan Probleme mit der Versorgung der vielen Flüchtlinge habe. Dies könne Menschen dazu treiben, sich auf den Weg Richtung Europa zu machen. „Wir sehen den Beginn einer weiteren potenziell großen Flüchtlingskrise in der Welt.“
Im Dezember hatte die EU erklärt, sie werde gut 90 Millionen Euro an Hilfe an Äthiopien zurückhalten, solange es keinen humanitären Zugang nach Tigray gebe. Haavisto hatte am Montag die anderen EU-Außenminister über seine Reise informiert. Die EU-Staaten wollen laut Borrell nun demnächst eine gemeinsame Erklärung zu Tigray verabschieden.