Konzerne ködern Kinder mit Social-Media-Stars auf auf YouTube und TikTok für ungesunde Produkte

Influencerin
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Sie sitzen im Milka-Kostüm vor der Kamera, backen Kekse auf YouTube oder lassen sich beim Pizza-Kauf filmen: Lebensmittelkonzerne setzen nach Einschätzung der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch gezielt auf junge Social-Media-Stars, um ungesunde Produkte an Kinder und Jugendliche zu vermarkten. Das ergab eine am Mittwoch vorgestellte Foodwatch-Untersuchung tausender Beiträge in sozialen Medien. Die Organisation forderte Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) zum Handeln auf.

Foodwatch nahm Beiträge auf den Plattformen YouTube, Instagram und TikTok unter die Lupe. Einige sind als „Werbevideo“ gekennzeichnet, andere geben einen scheinbar ganz normalen Einblick in den Alltag der Influencerinnen und Influencer. Diese sitzen dann bei McDonald’s, trinken Coca-Cola oder Red Bull oder preisen eine Box mit Tüten von Haribo an. Laut Foodwatch posten sie solche Videos teilweise auch von sich aus, fragen dann aber Hersteller gezeigter Produkte an, sie zu sponsern.

Die Industrie fördere mit dem Online-Marketing „an der elterlichen Kontrolle vorbei“ Fehlernährung und Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen, kritisierte Foodwatch. Die Organisation sprach von „übergriffigen Marketingmethoden“, mit denen Bemühungen vieler Eltern um eine gesunde Ernährung ihrer Kinder sabotiert würden.

Die Konzerne wiederum machten sich nicht nur zunutze, dass junge Menschen ihr Taschengeld am liebsten für Süßigkeiten und Snacks ausgeben, sondern auch, dass sie ihren Online-Idolen „vollstes Vertrauen“ entgegenbringen, kritisierte Foodwatch. Hinzu komme, dass sich mit gezuckerten Getränken, Süßwaren und fettigen Snacks die „größten Umsatzrenditen erwirtschaften“ ließen.

Klöckner müsse als zuständige Ministerin dem „Kindermarketing für ungesunde Produkte“ einen Riegel vorschieben – egal ob im Internet, Fernsehen oder Supermarkt, forderte die Verbraucherschutzorganisation. Nötig sei statt unverbindlicher Empfehlungen eine gesetzliche Beschränkung der an Kinder gerichteten Werbung für unausgewogene Lebensmittel.

Die Grünen-Politikerin Renate Künast sagte der Nachrichtenagentur AFP, der Foodwatch-Report belege: „Die Lebensmittelwirtschaft nutzt inzwischen auch bekannte Influencer, um in den sozialen Medien für Junkfood  zu werben.“ Dies sei „inakzeptabel und verantwortungslos von den Unternehmen und auch den Influencern“. Künast forderte ebenfalls ein Verbot der Werbung für Süßigkeiten oder Junkfood, die sich an Kinder und Jugendliche richte.

Klöckner erklärte zum Thema Lebensmittelwerbung, die auf Kinder abziele, dies „müssen wir stärker in den Blick nehmen“. An dieser Stelle seien „weitergehende Beschränkungen notwendig“. Klöckner forderte den Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft auf, „die Verhaltensregeln zu verschärfen“. Auch warf sie den Ländern dabei Versäumnisse vor.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bemängelte ebenfalls, dass Lebensmittel mit viel Zucker, Fett oder Salz „weiterhin an Kinder vermarktet“ würden. Derlei Produkte förderten Krankheiten wie Diabetes und Fettleibigkeit. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft in diesem Bereich seien „weitestgehend wirkungslos“ geblieben.

Kritik an dem Foodwatch-Bericht kam vom Lebensmittelverband Deutschland, dem Spitzenverband der Branche. Hingewiesen wurde zum einen auf rechtliche Vorgaben, mit denen Werbung auch in sozialen Medien bereits detailliert geregelt werde, und zum anderen darauf, dass Foodwatch nur eine kleine, aus Sicht der Organisation kritikwürdige Auswahl von Influencerinnen und Influencern berücksichtigt habe. Zudem entstünden deren Beiträge „häufig ohne Zutun der Unternehmen“, hieß es.

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