Angesichts der möglichen Verlängerung des Nato-Einsatzes in Afghanistan hat Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Vorbereitungen auf mögliche Angriffe der radikalislamischen Taliban angekündigt. Sie sprach am Mittwoch vor zweitägigen Beratungen mit ihren Nato-Kollegen von „einer erhöhten Bedrohung für die internationalen Kräfte“ und die Bundeswehr. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte die Taliban erneut auf, die vereinbarten Bedingungen für den Abzug zu erfüllen.
Die Nato-Verteidigungsminister tagten am Mittwoch erstmals seit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Joe Biden. Die Regierung seines Vorgängers Donald Trump hatte den Taliban einen Abzug aller ausländischen Truppen bis zum 30. April in Aussicht gestellt.
Stoltenberg bekräftigte nach dem ersten Tag der Video-Konferenz, dass der Abzug an Bedingungen geknüpft sei. Die Taliban müssten die Gewalt reduzieren, ihre Verbindungen zu Terrorgruppen wie Al-Kaida kappen und ernsthaft mit der Regierung in Kabul über eine Friedenslösung verhandeln, sagte er. Ziel der Nato-Partner sei es, die Friedensgespräche „wiederzubeleben“. Denn sie seien „der einige Weg“ zu einer dauerhaften Lösung.
Bidens Regierung hat ihre Prüfung der Abzugsfrage noch nicht abgeschlossen. Wie andere Bündnisvertreter ging Kramp-Karrenbauer deshalb nicht davon aus, dass die Nato-Verteidigungsminister bereits eine Entscheidung am Donnerstag treffen können, wenn das Thema Afghanistan offiziell auf der Tagesordnung steht.
Seit dem Ende des Kampfeinsatzes Ende 2014 ist die Nato noch mit der Unterstützungsmission „Resolute Support“ in Afghanistan. Sie dient der Beratung und Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte und umfasst derzeit 9600 Soldaten. Deutschland trägt als „Rahmennation“ im Norden Afghanistans die Verantwortung. Mit rund 1100 Soldaten vor Ort stellt Deutschland das zweitgrößte Truppenkontingent nach den USA.
Angesichts der Drohungen der Taliban mit Angriffen bei einer Verschiebung des Abzugs sei das bisherige Sicherungsbataillon der Bundeswehr für den Einsatz „ein Minimum“, sagte der frühere deutsche Nato-General Egon Ramms im Deutschlandfunk. Eine Verstärkung sei möglich. Ramms verwies darauf, dass die Mandatsobergrenze von 1300 Soldaten derzeit nicht ausgeschöpft sei. Es könnten weitere 200 Soldaten nach Afghanistan geschickt werden.
An den Beratungen nahm erstmals der neue US-Verteidigungsminister Lloyd Austin teil. Nach den schwierigen Jahren mit Donald Trump sah Kramp-Karrenbauer „eine große Chance für einen neuen Start der transatlantischen Beziehungen“. Stoltenberg betonte, es müsse „die einzigartige Gelegenheit ergriffen werden, ein neues Kapitel in den transatlantischen Beziehungen aufzuschlagen“.
Am Mittwoch stand die Reform des Bündnisses im Mittelpunkt, die auch eine Reaktion auf Alleingänge der USA unter Trump ist. Die Minister diskutierten dabei Vorschläge Stoltenbergs etwa für häufigere politische Beratungen und eine Stärkung des Bündnis-Budgets. Nach weiteren Diskussionen sollen konkrete Pläne im Frühjahr den Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfel vorgelegt werden.
Auch nach dem Ende von Trumps Amtszeit forderte Stoltenberg die europäischen Verbündeten auf, die Verteidigungsausgaben weiter zu erhöhen. Eine Abkehr von diesem Kurs wäre „die falsche Botschaft“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwochsausgabe). Auch die neue US-Regierung werde auf höhere Verteidigungsausgaben pochen.