Scholz: „Will eine Aufsicht mit Biss“

Olaf Scholz - Bild: Bundesministerium der Finanzen / Photothek / Thomas Koehler
Olaf Scholz - Bild: Bundesministerium der Finanzen / Photothek / Thomas Koehler

Als Konsequenz aus dem Wirecard-Bilanzskandal hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine grundlegende Reform der Finanzaufsichtsbehörde Bafin angekündigt – personell, rechtlich und inhaltlich. „Ich will eine Aufsicht mit Biss“, sagte Scholz am Dienstag in Berlin. Im Fall Wirecard seien „unbestritten Fehler gemacht worden“ – daraus müssten die richtigen Schlüsse gezogen werden.

Wirecard hatte Ende Juni 2020 Insolvenz angemeldet – der Finanzdienstleister soll jahrelang die Bilanzen gefälscht haben. Kritiker werfen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) vor, lange Zeit nicht entschieden genug Betrugshinweisen bei dem Zahlungsdienstleister nachgegangen zu sein. Am Freitag hatte Scholz angekündigt, dass Bafin-Chef Felix Hufeld die Behörde verlässt; mit ihm müssen weitere Führungskräfte gehen. 

Die Suche nach dem Nachfolger oder der Nachfolgerin laufe „weltweit“, sagte Scholz. „Wir wollen den besten Standard erreichen.“

Der Finanzminister stellte einen Sieben-Punkte-Plan vor, mit dem die Bafin komplett umgekrempelt werden soll. Die Behörde soll eine sogenannte Fokusaufsicht bekommen, die bei Unternehmen alle Geschäftsbereiche umfasst. Im Fall Wirecard hatte die Bafin argumentiert, sie sei nur für die Bank des Finanzdienstleisters zuständig – nicht aber für die anderen Bereiche. So kontrollierte sie nur einen kleinen Teil des Skandalunternehmens. 

Zweitens soll die Bafin eine Taskforce bekommen: Fachleute, die in Verdachtsfällen eigenständig ermitteln, mit dem Recht zu Durchsuchungen und Beschlagnahmungen. Sie sollen auch mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten. 

Die Bafin soll zudem Bilanzen besser überprüfen können und dafür mehr kompetentes Personal einstellen – bislang arbeiten nach Angaben der Opposition nur fünf Leute mit Wirtschaftsprüferexamen in der Behörde. Die Bilanzprüfer sollen für ihre Ermittlungen die entsprechenden „Zugriffsrechte“ bekommen, wie das Finanzministerium erklärte: Das „Eingriffsniveau“ solle dem der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG entsprechen, das im Fall Wirecard letztlich zur Aufdeckung des Bilanzbetrugs geführt hatte. 

Die Bafin soll außerdem mehr auf „Marktteilnehmer“ hören – etwa auf Analysten, Anlegerschützer oder Journalisten. „Informationen aus dem Markt und von Whistleblowern“ seien für die Behörde „besonders wertvoll“, erklärte das Ministerium. Diese Informationen müssten aber auch „qualifiziert ausgewertet“ werden können, betonte Staatssekretär Jörg Kukies (SPD). Im Fall Wirecard hatte die „Financial Times“ dem Unternehmen lange vor der Insolvenz mehrfach Betrug vorgeworfen – die Bafin zeigte die Journalisten angesichts heftiger Kursschwankungen wegen Marktmanipulation an.

Finanzminister Scholz sagte am Dienstag, er wolle mit der Bafin-Reform auch den Verbraucher- und Anlegerschutz stärken; laut Kukies geht es dabei auch um die inhaltliche Prüfung von Vermögensanlagen, denen formal nichts vorzuwerfen ist. Zur konkreten Umsetzung machten der Minister und sein Staatssekretär aber noch keine Angaben. Die Bürgerbewegung Finanzwende kritisierte umgehend, hier bleibe vieles „allzu vage“.

Punkt sechs auf der Liste ist die Stärkung der Position des künftigen Chefs oder der künftigen Chefin der Behörde. Er oder sie soll zum Beispiel die beiden neuen Einheiten Fokusaufsicht und Task Force beaufsichtigen. „Erster Job ist es aber, die Modernisierung voranzutreiben“, sagte Kukies. 

Punkt sieben schließlich ist der Aufbau einer „Data Intelligence Unit“. Bei der Datennutzung könne Deutschland „sicherlich“ von ausländischen Aufsichtsbehörden lernen, sagte Kukies – hätte es die Datenauswertung im Fall Wirecard schon gegeben, „wäre man zu anderen Schlussfolgerungen gekommen“. 

Der Sieben-Punkte-Plan soll „schnell und zügig“ umgesetzt werden, versicherte Scholz. Das Kabinett hatte bereits Mitte Dezember den Gesetzentwurf zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) beschlossen, das in dieser Legislaturperiode noch verabschiedet werden soll. Es enthält bereits Teile des Sieben-Punkte-Plans. 

Der Grünen-Finanzexperte Danyal Bayaz erklärte, die Vorschläge „scheinen in die richtige Richtung zu gehen“, seien aber „etwas dünn“. Bei der Nachfolge an der Bafin-Spitze müsse der Bundestag beteiligt werden, forderte er. 

Auch der Linken-Finanzexperte Fabio de Masi kritisierte die Pläne von Scholz als „kleine Brötchen“ – nötig sei „eine echte forensische Elitetruppe mit Spitzengehältern, dem Einsatz modernster Technologie wie Künstlicher Intelligenz und eigenen Trainingsprogramm“. De Masi forderte zudem, die Vergütung der Bafin-Führung öffentlich zu machen. Außerdem habe die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf zu erfahren, ob Hufeld noch einen goldenen Handschlag bekomme.

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