Trotz einer raschen Ausbreitung von ansteckenderen Varianten des Coronavirus in Tirol wird das österreichische Bundesland vorerst nicht abgeriegelt. Die Regierung in Wien nannte die Situation am Donnerstag zwar „akut und ernst“, entschied sich jedoch zunächst für den Einsatz von Massentests und eine schnellere Sequenzierung von Testproben im Kampf gegen das Virus. Experten und die Opposition forderten ein härteres Vorgehen.
Am Sonntag sei „Tag der Bilanz“, kündigte Gesundheitsminister Rudolf Anschober an. Bis dahin werde die Regierung die Daten überprüfen und entscheiden, ob zusätzliche Maßnahmen notwendig seien. Das Land Tirol habe noch am Mittwoch ein „sehr straffes Fünf-Punkte-Programm aufgestellt, mit dem die Situation genau untersucht werden soll“, sagte der Grünen-Politiker vor Medienvertretern in Wien.
Die oppositionellen Sozialdemokraten (SPÖ) forderten die Regierung indessen auf, „endlich aktiv zu werden“. Den Tiroler Verantwortlichen beim „Kopf in den Sand stecken zuzusehen, endet sonst neuerlich in einer Katastrophe“, warnte der Gesundheitsexperte der SPÖ, Philip Kucher. „Bis Sonntag zu warten, ist keine Option“, sagte er und verwies auf den Corona-Ausbruch im Skigebiet Ischgl vor rund einem Jahr.
Zuvor hatte die Virologin und Beraterin der österreichischen Regierung, Dorothee von Laer, den Tiroler Behörden Untätigkeit im Umgang mit den Corona-Mutanten vorgeworfen. In Zeitungsinterviews wies sie darauf hin, dass bereits 20 Prozent der Infektionen in Tirol auf die Varianten zurückzuführen seien, die zuerst in Großbritannien sowie in Südafrika entdeckt worden waren.
Nach ihren Angaben traten zudem mindestens zwei bis drei eigenständige Tiroler Mutationen der südafrikanischen Variante auf. Als Konsequenz forderte die Virologin, das Bundesland einen Monat lang zu isolieren.
Nach Informationen der österreichischen Nachrichtenagentur APA sind andere Experten, die die Regierung beraten, aber nicht alle der Meinung der Virologin. Es würden unterschiedliche Zahlen vorliegen, die nun geprüft werden müssten. Demnach sehen manche keinen Hinweis auf eine Tirol-Mutation des südafrikanischen Erregers.
Tirol war bereits während der ersten Welle im Frühjahr abgeschottet. Von Mitte März bis Anfang April wurden alle Gemeinden unter Quarantäne gestellt und die Grenzen geschlossen.