Sequenzierung, Rezeptorbindende Domäne, E501Y oder B.1.351 – im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wird eine verwirrende Vielzahl von Fremdwörtern und Abkürzungen verwendet. Gerade hinsichtlich der Ausbreitung von ansteckenderen Corona-Varianten ist es hilfreich zu wissen, was sich dahinter verbirgt:
Coronavirus ist nicht gleich Coronavirus
Der Auslöser der Corona-Pandemie ist nur einer von sieben bekannten auf den Menschen übertragbaren Coronavirus-Typen. Vier von ihnen mit Namen wie HCoV-229E oder HCoV-HKU1 verursachen Beschwerden wie Erkältungen und Durchfall. Bekannter sind die Coronavirus-Typen Sars-CoV-1 und Mers-CoV, die seit Anfang der 2000er Jahre Epidemien mit hunderten Todesopfern auslösten.
Sars-CoV-1 löst das schwere Atemwegssyndrom aus, das auf Englisch Severe acute respiratory syndrome heißt, kurz Sars. Weil das seit Ende 2019 grassierende neuartige Coronavirus an Sars erinnernde Beschwerden verursacht, trägt es den Namen Sars-CoV-2. Die von ihm ausgelöste Krankheit bekam von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Namen Covid-19, eine Abkürzung für „Coronavirus disease 2019“ (Coronavirus-Krankheit 2019).
Enttarnung neuer Mutationen durch Sequenzierung
Veränderungen am Erbgut eines Virus lassen sich durch die Genomsequenzierung von Proben von Infizierten feststellen. Labore entziffern dabei das aus sogenannten Nukleinbasenpaaren bestehende Erbgut des Virus, so dass Abweichungen vom ursprünglichen Erreger erkennbar werden.
Mutationen und Mutanten
Bei der ständigen zigfachen Vermehrung von Viren treten immer wieder spontan Veränderungen am Erbgut auf. Bei Sars-CoV-2 wurden bereits hunderttausende solcher Mutationen nachgewiesen. Sie können darin bestehen, dass Basenpaare im Erbgut verdoppelt werden oder entfallen oder ihre Position verändern.
Mutationen können wirkungslos bleiben oder die Ausbreitung des Virus beeinflussen. Wenn eine Mutation etwa dazu führt, dass das Virus leichter übertragbar ist, verschafft sie ihm einen Vorteil. Die mutierte Variante verdrängt dann nach und nach andere Varianten.
Während der Begriff Mutation den Vorgang einer dauerhaften Erbgut-Veränderung beschreibt, wird das Ergebnis, also das mutierte Virus, als Mutante bezeichnet.
Virus-Varianten im Fokus
Die sogenannte britische Variante des neuartigen Coronavirus wurde erstmals in Proben nachgewiesen, die im September im südenglischen Kent und im Großraum London genommen worden waren. Nachdem Ende 2020 der Verdacht aufkam, dass diese Virus-Variante besonders ansteckend ist, wurde sie als „besorgniserregende Variante“, als „Variant of concern 202012/01“, kurz „VoC202012/01“, eingestuft – wobei die Ziffern anzeigen, dass es die erste derartige Variante im Dezember 2020 war.
Mittlerweile ist diese Variante unter anderem als B.1.1.7 bekannt. Der Name zeigt an, dass die Variante zur Abstammungslinie B von Sars-CoV-2 gehört. Mit den Ziffern werden die verschiedenen Varianten der jeweiligen Linie durchnummeriert. Darüber hinaus gibt es andere gebräuchliche Nomenklaturen für Viren. Sie teilen die Virustypen je nach den vorliegenden Mutationen in sogenannte Kladen ein, die mit unterschiedlichen Buchstaben gekennzeichnet werden. Zudem wird die entscheidende Mutation angegeben. Die britische Variante heißt daher auch 20I/501Y.V1.
B.1.1.7 unterscheidet sich vom ursprünglichen Covid-19-Erreger nämlich unter anderem in der Mutation N501Y. Diese Abkürzung gibt an, dass im Viren-Erbgut die Aminosäure Asparagin, abgekürzt mit N, durch die Aminosäure Tyrosin, abgekürzt mit Y, ersetzt wurde. Die Mutation vollzog sich an Position 501 der Rezeptorbindenden Domäne des Spike-Proteins von Sars-Cov-2.
Das stachelartige Spike-Protein ist für den Eintritt von Sars-CoV-2 in die Wirtszelle zuständig. Mit der Rezeptorbindenden Domäne heftet sich das Spike-Protein dazu an die menschlichen Zellen.
Die in Südafrika festgestellte Corona-Variante, die offenbar ebenfalls besonders ansteckend ist, wird als B.1.351 oder 20H/501Y.V2 bezeichnet. Wie bei B.1.1.7 gehört auch bei der südafrikanischen Variante N501Y zu den charakteristischen Mutationen, allerdings unterscheiden sich britische und südafrikanische Variante in anderen Mutationen.
Auch eine brasilianische Variante mit der Kennzeichnung B.1.1.28 oder 20J/501Y.V.3, auch als P.1 bekannt, steht im Fokus. Sie weist 17 Mutationen auf, darunter N501Y und eine weitere Mutation an der der Rezeptorbindenden Domäne des Spike-Proteins, die auch die südafrikanische Virus-Variante auszeichnet.