Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), hat sich besorgt über die steigende Zahl rechtsextremistischer Vorfälle in der Bundeswehr geäußert. Es zeige sich, „dass beim Thema Rechtsextremismus weiter Handlungsbedarf in allen Bereichen der Bundeswehr besteht“, sagte Högl bei der Vorstellung ihres Jahresberichts am Dienstag in Berlin. Sie forderte Konsequenzen: Die politische Bildung in der Truppe müsse ausgeweitet werden. Zudem müssten die Verfahren in Verdachtsfällen deutlich beschleunigt werden.
Die Zahl der „meldepflichtigen Ereignisse“ im Bereich des Rechtsextremismus habe im Jahr 2020 bei 229 gelegen – nach 197 Fällen im Vorjahr, sagte Högl. Beim Militärischen Abschirmdienst seien rund 500 Verdachtsfälle im Bereich Extremismus und Reichsbürger dokumentiert.
Angesichts dieser Entwicklung brauche es „Aufklärung, Sanktion und Prävention – und zwar konsequent, lückenlos und zügig“, forderte Högl. „Wer sich extremistisch verhält oder Extremismus nur akzeptiert, gehört nicht in die Bundeswehr.“
Högl forderte, politische Bildung zum „integralen Bestandteil im Dienstalltag“ zu machen. Sie solle dazu beitragen, „dass sich Extremismus gar nicht erst ausbreitet“. Zudem beklagte sie die „oftmals viel zu lange“ Dauer von Verfahren gegen Soldatinnen und Soldaten, die unter Extremismusverdacht stünden. Solche Verfahren dauerten derzeit im Schnitt rund 20 Monate, sagte sie.
Besorgt äußerte sich Högl auch über einen jüngst bekannt gewordenen Vorgang beim Kommando Spezialkräfte. KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr soll Soldaten im vergangenen Jahr die Möglichkeit gegeben haben, unerlaubt gehortete Munition ohne weitere Strafen zurückzugeben. Unklar ist, inwieweit das Verteidigungsministerium in diesen Vorgang eingebunden war; das Ministerium hat dazu eine Untersuchung eingeleitet.
Das KSK war bereits durch eine Reihe rechtsextremer Vorfälle in die Schlagzeilen geraten. Högl äußerte die Sorge, dass der im Zuge dieser Vorfälle angestoßene Reformprozess durch die so genannte Munitionsamnestie nun „erheblich in Zweifel gezogen“ werden könne. Sie habe seit ihrem Amtsantritt vor neun Monaten intensive Kontakte zum KSK und zu Kommandeur Kreitmayr gepflegt, sagte Högl. Dabei sei „diese ganze Aktion, diese Amnestie niemals angesprochen worden“.
Die Wehrbeauftragte forderte in ihrem Jahresbericht zudem eine Bewaffnung von Drohnen für die Bundeswehr. Högl stellte sich damit gegen ihre eigene Partei, die SPD. „Die Bundeswehr wartet dringend auf diese Fähigkeit“, sagte sie mit Blick auf bewaffnete Drohnen. „Ich bedaure, dass sich die SPD entschieden hat, weiter zu diskutieren.“
Als positiv bewertete die Wehrbeauftragte das Engagement der Bundeswehr in der Corona-Pandemie. Es sei „ein großer Erfolg, dass die Einsatzbereitschaft in der Pandemie aufrecht erhalten werden konnte“, sagte sie. „Das vorbildliche Engagement bei der Amtshilfe sollte durch eine Einsatzmedaille ausgezeichnet werden.“
Auch im diesjährigen Jahresbericht spielten Mängel bei der Ausrüstung der Bundeswehr eine wichtige Rolle – diese seien ein „bleibendes Ärgernis“, sagte Högl. Sie finde es unverständlich, dass es nach wie vor Probleme etwa mit Rucksäcken oder mit Gehör- und Kälteschutz für Soldaten gebe. Solche Mängel könnten sich „ganz erheblich auf die Motivation der Soldaten auswirken“.
Kritisch äußerte sich Högl zu der Praxis, dass die Bundeswehr auch Soldaten einstelle, die bei Dienstantritt noch keine 18 Jahre alt sind. „Ich fände es richtig zu sagen: Bundeswehr nur ab Volljährigkeit.“
Die Grünen bemängelten die anhaltenden Probleme bei der Truppe. „Die Probleme bei der Bundeswehr wachsen Jahr für Jahr an, ebenso wie der Etat“, erklärte der Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner. „Das Rezept der Union ‚Viel Geld hilft viel‘ ist nun mal keine Reformstrategie.“ Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte die Zahl der rechtsextremen Vorfälle „erschreckend“.