Mehrere hochrangige Vertreter der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) haben die Parteibasis am Donnerstag aufgerufen, für die Unterstützung einer Einheitsregierung unter dem ehemaligen Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, zu stimmen. „Ich stimme mit ja, weil wir verteidigen müssen, was wir für Italien aufgebaut haben“, erklärte der scheidende Außenminister Luigi Di Maio am Donnerstag. Bis zum Abend können die M5S-Mitglieder in einer Online-Befragung entscheiden, ob die Partei sich an einer Koalition unter Draghis Führung beteiligen soll.
Auch der Präsident der Abgeordnetenkammer, Roberto Fico, und Parteigründer Beppe Grillo sprachen sich für eine Regierung unter Draghi aus. Die Abstimmung, an der rund 120.000 Parteimitglieder teilnehmen können, ist die letzte Hürde auf dem Weg zur Regierungsbildung für Draghi.
Den Mitgliedern der populistischen Partei, die ursprünglich als Gegenbewegung zur italienischen Elite gegründet wurde, dürfte die Anerkennung einer Regierung unter einem Eliten-Vertreter wie dem ehemaligen EZB-Chef nicht ganz leicht fallen. Die Abstimmung endet Parteiangaben zufolge um 18.00 Uhr.
Zuvor hatte Draghi nach Angaben der Fünf-Sterne mehreren Forderungen der Partei zugestimmt, darunter der Schaffung eines „Super-Ministeriums für den ökologischen Wandel“. Sollte die Parteibasis für die Regierungsbeteiligung stimmen, kann Draghi auf eine große Mehrheit im Parlament bauen. Die Fünf-Sterne-Bewegung stellt gut ein Drittel der Abgeordneten und Senatoren.
Der Ex-EZB-Chef könnte wahrscheinlich auch ohne die Unterstützung der M5S eine Regierung bilden, da die meisten Parteien ihm ihre Unterstützung zugesagt haben. Dennoch sei das Wohlwollen der Fünf-Sterne wichtig für Draghi, sagte der Experte der Denkfabrik Eurasia Group, Federico Santi, der Nachrichtenagentur AFP. Draghi könnte dann „mit der größtmöglichen parlamentarischen Mehrheit starten“ und wäre weniger abhängig von der rechtsradikalen Lega.
Experten zufolge könnte der Ex-EZB-Chef seine Regierung bereits am Ende der Woche vorstellen und von Staatspräsident Sergio Mattarella vereidigt werden, um dann am Montag oder Dienstag in einer Abstimmung das Vertrauen des Parlaments zu erlangen.
Italien ist seit fast einem Monat inmitten der Corona-Krise und einer schweren Rezession ohne voll funktionsfähige Regierung. Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte seinen Rücktritt erklärt, nachdem die von ihm angeführte Mitte-Links-Koalition am Streit um die Verwendung der Corona-Hilfsgelder der Europäischen Union zerbrochen war. Mattarella hatte Draghi daraufhin vergangene Woche mit der Bildung einer Einheitsregierung beauftragt.
