Den enormen Nachholbedarf Deutschlands bei der Digitalisierung seiner Schulen bezweifelt niemand mehr, seit Millionen Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie nur noch zu Hause unterrichtet werden können. Obwohl der Bedarf seit Jahren bekannt ist, wurden die Hilfsgelder aus dem milliardenschweren Digitalpakt Schule lange kaum abgerufen. In der Pandemie fließt nun mehr Geld als in der Zeit zuvor. Eine Trendwende?
SEIT WANN GIBT ES DEN DIGITALPAKT SCHULE?
Bund und Länder verständigten sich im Mai 2019 auf ein Hilfsprogramm, um die „digitale Bildung“ voranzubringen. Der Bund stellte dafür bis 2024 fünf Milliarden Euro zur Verfügung, die in die „digitale Bildungsinfrastruktur“ fließen sollen. Grundlage für die Förderung sollten pädagogische Medienkonzepte der Schule sein.
WURDE DAS PROGRAMM IN DER CORONA-PANDEMIE AUSGEWEITET?
Ja, Bund und Länder vereinbarten im vergangenen Jahr drei Zusatzvereinbarungen in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Damit sollen zum einen Laptops angeschafft werden, die sich Schülerinnen und Schüler ausleihen können, wenn sie keine eigenen Geräte zu Hause haben. Für dieses Programm sind 500 Millionen Euro vorgesehen. Für die Förderung von sogenannten Administratoren, die sich um digitale Technik kümmern sollen, sowie für Lehrer-Laptops stehen ebenfalls jeweils 500 Millionen Euro bereit.
WIEVIEL GELD STEHT ZUR VERFÜGUNG?
Der Bund stellt mit dem ursprünglichen Digitalpakt und den drei Zusatzvereinbarungen nun insgesamt 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Bei einem zusätzlichen Eigenanteil der Länder von zehn Prozent beläuft sich die gesamte Fördersumme auf mehr als sieben Milliarden Euro. Die Bundesgelder fließen nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel, dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, an die 16 Bundesländer.
WIEVIEL GELD IST BEREITS GEFLOSSEN ODER VERPLANT?
Bis Ende vergangenen Jahres beliefen sich die abgeflossenen und bewilligten Mittel auf insgesamt 1,363 Milliarden Euro. Dabei flossen knapp 488 Millionen Euro bereits ab, die beantragten, aber noch nicht abgerufenen Hilfen summierten sich auf 875 Millionen Euro. Im zweiten Halbjahr 2020 flossen dabei deutlich mehr Gelder als zuvor: Bei der vorherigen Erhebung zum Stichtag 30. Juni waren erst 16 Millionen Euro abgeflossen und 242 Millionen Euro gebunden.
Größter Posten war dabei das Programm für Schüler-Laptops. Rund 376 Millionen Euro der abgeflossenen Mittel stammten aus dem 500 Millionen Euro umfassenden Sofortprogramm. Acht Bundesländer riefen die ihnen zur Verfügung stehenden Gelder bereits komplett ab.
STELLEN DIE STEIGENDEN AUSZAHLUNGEN EINE TRENDWENDE DAR?
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und die Kultusminister der Länder sehen zumindest eine positive Entwicklung. Es müsse zwar noch Tempo gemacht werden, „aber die Richtung stimmt jetzt“, erklärte Karliczek. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), sprach davon, dass die Länder bei der Digitalisierung der Schulen „in einer historischen Ausnahmesituation ein großes Stück“ weitergekommen seien.
Die zögerlichen Auszahlungen der Milliardenhilfen sorgen dennoch weiter für Kritik. „Der magere Mittelabfluss beim Digitalpakt ist nach wie vor eine Katastrophe“, sagte die stellvertretende FDP-Fraktionschefin Katja Suding den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Die Schulexpertin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Ilka Hoffmann, kritisierte, die Zahlen seien „kein Grund zum Jubeln“. Die Umsetzung des Digitalpakts laufe insgesamt „viel zu langsam“.