Die entmachtete De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi ist einen Monat nach dem Putsch in Myanmar erstmals vor Gericht erschienen und mit weiteren strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert worden. Die Friedensnobelpreisträgerin soll unter anderem wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ angeklagt werden, wie ihr Anwalt am Montag in der Hauptstadt Naypyidaw sagte. Trotz mindestens 18 Todesopfern bei Protesten am Vortag gingen erneut hunderte Demonstranten landesweit auf die Straßen.
„Wir können nicht mit Sicherheit sagen, wie viele weitere Verfahren Aung San Suu Kyi erwarten werden“, sagte ihr Anwalt Khin Maung Zaw. „Alles kann in diesem Land in dieser Zeit passieren.“ Suu Kyi wurde am Montag „Anstiftung zum Aufruhr“ sowie ein Verstoß gegen das Telekommunikationsgesetz vorgeworfen. Die 75-Jährige, die seit dem Militärputsch am 1. Februar nicht in der Öffentlichkeit zu sehen war, wurde per Video in den Gerichtssaal geschaltet.
Zuvor war ihr bereits ein Verstoß gegen Importbestimmungen im Zusammenhang mit Funkgeräten zur Last gelegt worden. Die Anhörung am Montag fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der nächste Gerichtstermin ist für den 15. März geplant.
Suu Kyi wird Berichten zufolge unter Hausarrest in der Hauptstadt Naypyidaw festgehalten. Laut ihrem Anwalt scheint sie „bei guter Gesundheit“. Er selbst habe aber vor der Anhörung nicht mit seiner Mandantin sprechen können. Sie stand bereits unter Myanmars früherer Militärregierung 15 Jahre unter Hausarrest.
Nach einer zehnjährigen Phase des demokratischen Wandels hatten die Generäle in dem südostasiatischen Land am 1. Februar mit einem Staatsstreich erneut die Macht übernommen. Sie warfen der Partei von Suu Kyi, der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), Betrug beim erdrutschartigen Sieg bei der Parlamentswahl im November vor, ohne Beweise vorzulegen.
Seit der Machtübernahme der Militärs vor einem Monat sind hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen, um die Freilassung von Suu Kyi und weiteren Festgenommenen zu fordern.
Der Sonntag wurde zum blutigsten Protesttag seit Beginn der Massenkundgebungen. Laut UN-Angaben starben mindestens 18 Menschen in mehreren Städten, als die Sicherheitskräfte scharfe Munition und Gummigeschosse auf die Demonstranten abfeuerten. Einige Beobachter gehen von einer weitaus höheren Opferzahl aus. Insgesamt sollen bei den Protesten bislang etwa 30 Menschen gestorben sein.
Am Montagabend berichtete der staatliche Sender MRTV von mehr als 1300 Festnahmen und elf Toten am Sonntag. Demnach seien die Sicherheitskräfte angewiesen worden, keine scharfe Munition zu verwenden.
Abgesetzte Abgeordnete der NDL bezeichneten die Junta als „Terrororganisation“. Ein Komitee von Parteimitgliedern erklärte: „Durch die Gräueltaten und Terrorakte des Militärs sind die Straßen und Gemeinden in ganz Myanmar zu Schlachtfeldern geworden.“
Trotz der Angst vor Repression protestierten auch am Montag landesweit Menschen gegen die Militärjunta. In der Nähe des berüchtigten Insein-Gefängnisses in der größten Stadt Rangun feuerten Sicherheitskräfte Schüsse auf Demonstranten ab. Es war unklar, ob es sich um scharfe Munition handelte. „Ich bin hier in der ersten Reihe, weil ich nicht will, dass mein Sohn in dieser schlimmen Zeit aufwächst“, sagte ein Demonstrant zu AFP. Er habe ein zehn Monate altes Kind. Örtlichen Medien zufolge wurden mehrere Menschen verletzt, es gab aber zunächst keine Berichte über Tote.
Die Bundesregierung verurteilte die Gewalt am Montag „aufs Schärfste“ und bestellte die Botschafterin von Myanmar ein. Militär und Polizeikräfte müssten „die Gewalt gegen Demonstranten beenden und äußerste Zurückhaltung üben“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert und forderte die Freilassung Suu Kyis und anderer Gefangener. Auch die USA, die EU und die UNO verurteilten die Gewalt.