Aussetzung der Astrazeneca-Impfungen löst Debatte über Impfstrategie aus

Impfstoffe
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Die Aussetzung der Corona-Impfungen mit dem Präparat des Herstellers Astrazeneca hat in Deutschland eine kontroverse Debatte über die Impfstrategie der Regierung ausgelöst. CSU-Chef Markus Söder forderte am Dienstag, den Impfstoff nach einer Prüfung und Wiederzulassung jedem Impfwilligen zugänglich zu machen. Ärztevertreter verlangten eine rasche Einbeziehung von Hausärzten in die Impfkampagne. Der für Mittwochabend geplante Impfgipfel von Bund und Ländern wurde auf Freitag verschoben.

Für die ohnehin als zu schleppend kritisierte Corona-Impfkampagne in Deutschland bedeutet die Entscheidung zur Aussetzung von Astrazeneca einen Rückschlag. Söder etwa bezeichnete die Aussetzung als „einfach bitter“. CDU-Chef Armin Laschet sprach von einer „besonders schlechten Nachricht“. Viele Menschen seien „unzufrieden, manche gar wütend“ über den Verlauf der Impfkampagne. Er könne die Ungeduld nachvollziehen. Es gehe darum, beim Testen und Impfen besser zu werden, betonte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident.

Die Probleme mit Astrazeneca bremsen auch die politischen Entscheidungsprozesse aus. Die geplante Schaltkonferenz von Bund und Ländern zum Thema Impfen wurde kurzfristig verschoben. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchefs wollten ursprünglich am Mittwochabend entscheiden, ab wann Hausärzte die Corona-Impfungen vornehmen können. Nach Angaben Laschets und der rheinland-pfälzischen Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) soll die Besprechung nun am Freitag nachgeholt werden.

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte die Hoffnung, dass die Europäische Arzneimittelbehörde EMA noch diese Woche eine Entscheidung zur Weiterverwendung von Astrazeneca trifft. Er hoffe darauf, „dass ein Impfstoff, der schon an zig Millionen Bürgerinnen und Bürger in aller Welt verimpft worden ist, auch weiter verimpft werden kann“.

In der Ärzteschaft wurden Kritik an der Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums zur Astrazeneca-Aussetzung laut. „Dass Menschen Thrombosen und Lungenembolien bekommen, muss nicht unbedingt etwas mit der Impfung zu tun haben“, sagte Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er warnte auch vor einem Image-Schaden für den Impfstoff.

Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) warnte, dass der Astrazeneca-Impfstopp den Zeitplan der Bundesregierung in Gefahr bringe. Die Maßnahme „würde das Impfergebnis um einen Monat rechnerisch nach hinten verschieben“, sagte ZI-Chef Dominik von Stillfried dem „Handelsblatt“. 

Deutschlands Hausärzte forderten eine rasche Einbindung in die Impfkampagne. „Das Aussetzen der Impfungen mit Astrazeneca wirft uns zwar aktuell wieder deutlich zurück, ist aber kein Grund, die Planungen für einen möglichst schnellen flächendeckenden Impfstart in den Hausarztpraxen zu verschieben“, sagte der Präsident des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vom Mittwoch.

Die Opposition verschärfte ihre Kritik an der Impfpolitik der Bundesregierung. FDP-Chef Christian Lindner sprach von einem „sehr dramatischen Managementversagen“ der Bundesregierung. Er zog die Entscheidung zur Astrazeneca-Aussetzung in Zweifel und mahnte einen raschen Impfgipfel an. 

Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte erklärte: „Ausgerechnet jetzt den Impfgipfel zu verschieben, macht einen nur noch fassungslos. Wann, wenn nicht jetzt, muss über das Impfdebakel gesprochen werden?“ Offenbar habe die Bundesregierung „keinerlei Plan und Kraft mehr“.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, sprach sich für eine zügige Prüfung auf Zulassung des russischen Sputnik-Impfstoffes aus. „Beim Sputnik-Impfstoff darf es keine ideologischen Vorbehalte geben“, sagte Bartsch der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ und dem Bonner „General-Anzeiger“ (Mittwochsausgabe).

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