Im US-Prozess gegen einen weißen Ex-Polizisten wegen des gewaltsamen Todes von George Floyd hat sich die Auswahl der Geschworenen verzögert. Vor dem Gericht in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota sorgte am Montag zunächst die Frage eines möglichen dritten Anklagepunktes gegen den entlassenen Polizisten Derek Chauvin für Verwirrung. Die Auswahl der zwölfköpfigen Jury dürfte deswegen frühestens am Dienstag beginnen.
Knapp zehn Monate nach dem Tod des Afroamerikaners Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz erschien am Montag der Angeklagte Chauvin vor Gericht. Der Prozess findet unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt: Das Gerichtsgebäude in Minneapolis wurde mit Zäunen, Betonbarrieren und Stacheldraht gesichert. Neben der Polizei ist auch die Nationalgarde im Einsatz.
Hunderte Demonstranten versammelten sich in der Nähe des Gerichts und forderten eine Verurteilung Chauvins. Der 44-Jährige befindet sich derzeit gegen Kaution auf freiem Fuß.
Floyds auf einem Handyvideo festgehaltener Tod am 25. Mai 2020 hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt und beispiellose Proteste ausgelöst. Chauvin hatte dem wegen Falschgeld-Vorwürfen festgenommenen 46-Jährigen rund neun Minuten lang auf offener Straße das Knie in den Nacken gedrückt, obwohl Floyd mehr als 20 Mal klagte, er bekomme keine Luft.
Floyds Satz „I can’t breathe“ – „Ich kann nicht atmen“ oder „Ich bekomme keine Luft“ – wurde zu einem Motto der Black-Lives-Matter-Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze. Die teilweise von Ausschreitungen überschatteten Proteste hielten die USA wochenlang in Atem.
Der Prozess gegen Chauvin findet deswegen enorme Beachtung und wird live übertragen. Dem nach Floyds Tod entlassenen Polizisten wird unter anderem „Mord zweiten Grades“ zur Last gelegt. Das entspricht einem Totschlag in einem besonders schwerem Fall, wenn auch ohne Tötungsabsicht, und kann mit bis zu 40 Jahren Gefängnis bestraft werden. Ein zweiter Anklagepunkt lautet „Totschlag zweiten Grades“.
Die Anklage will außerdem, dass dem 44-Jährigen auch wegen eines dritten Anklagepunktes „Mord dritten Grades“ der Prozess gemacht wird. Darüber gibt es aber juristische Auseinandersetzungen. Richter Peter Cahill hatte den Anklagepunkt zunächst verworfen, die Staatsanwaltschaft ging dagegen in Berufung. Diese Frage ist noch in höherer Instanz anhängig.
Richter Cahill wollte zwar trotzdem am Montag mit der Auswahl der Geschworenen beginnen. Dagegen stemmte sich aber die Staatsanwaltschaft: Sie fürchtet, wenn die Jury-Auswahl beginnt, ohne dass die Anklagepunkte feststehen, könnte das später Anlass für eine Revision wegen Verfahrensfehlern geben. Die Anklage beantragte deswegen, durch ein Berufungsgericht klären zu lassen, ob die Geschworenen schon jetzt ausgewählt werden können.
Richter Cahill sagte daraufhin, ein Beginn der Geschworenen-Auswahl vor Dienstag sei nicht „realistisch“. Kandidaten für die Jury, die sich am Montag im Gericht eingefunden hatten, mussten wieder nach Hause gehen.
Für die Auswahl der Geschworenen waren ursprünglich drei Wochen angesetzt. Ende März sollten dann die inhaltlichen Verhandlungen beginnen und rund einen Monaten dauern. Für einen Schuldspruch wäre letztlich ein einstimmiges Urteil der Jury notwendig.
Floyds Onkel Selwyn Jones zeigte sich vor Prozessauftakt skeptisch, dass Chauvin verurteilt wird. „Natürlich möchte ich, dass er schuldig gesprochen wird“, sagte Jones der Nachrichtenagentur AFP. Doch „mit technischen Fragen“ könne das System manipuliert werden. „Das haben wir in der Vergangenheit schon oft gesehen.“
Verurteilungen wegen Polizeigewalt sind in den USA sehr selten. Der Prozess gegen drei weitere Polizisten, die an Floyds Festnahme beteiligt waren, beginnt erst im August.