Desaster: Im Jahr vor Corona tausende Klinikbetten abgebaut

Symbolbild: Klinik
Symbolbild: Klinik

Vor Beginn der Corona-Pandemie wurden in Deutschland tausende Klinikbetten abgebaut. Allein von 2018 bis 2019 fielen 4000 Krankenhausbetten weg, wie aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, die der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Montagsausgabe) vorliegt. Allein im Vor-Corona-Jahr wurden so viele Betten gestrichen wie in den acht vorangegangenen Jahren insgesamt.

Nach Ministeriumsangaben verfügten 2019 bundesweit 1914 Kliniken über 494.000 Patientenbetten. Die Zahlen zeigen zudem einen deutlichen Privatisierungstrend. Von 2005 bis 2019 wurden demnach 206 öffentliche Kliniken und 38.000 Betten in öffentlichen Krankenhäusern abgebaut. Bei freigemeinnützigen Trägern lag das Minus bei 173 Häusern und 22.000 Betten. Demgegenüber steht ein Aufwuchs von 154 privaten Häusern und 30.000 Betten in privaten Kliniken.

Linken-Sozialexpertin Sabine Zimmermann sieht darin ein „komplettes Versagen der Gesundheitspolitik der letzten 20 Jahre“. Auch leere Krankenhausbetten seien keine Verschwendung, „sondern eine notwendige Reserve für Zeiten wie diese“, sagte sie mit Blick auf die Corona-Pandemie der Zeitung. Sie forderte ein Ende des Krankenhauskahlschlags. Ansonsten drohten bei künftigen Notfällen auch hierzulande Szenen wie in Portugal, Italien oder Großbritannien.

Gesundheitsökonom Reinhard Busse von der Technischen Universität Berlin widerspricht hingegen und betont, die Zahl der stationär behandelten Patienten sei stärker zurückgegangen als die Zahl der Betten. Auch im Corona-Jahr 2020 sei die Zahl der benötigten Krankenhausbetten gesunken. Gleichzeitig würden noch sehr viele Menschen in schlecht ausgestatteten Krankenhäusern behandelt, etwa solche mit Herzinfarkt in Krankenhäusern ohne Herzkatheter.

Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sei der Abbau von Kapazitäten zwar teilweise auch auf kürzere Liegezeiten durch eine bessere medizinische Versorgung zurückzuführen. Aber vielfach handele es sich um einen „kalten Strukturwandel“ ohne Planung, sagte der künftige DKG-Hauptgeschäftsführer Gerald Gaß der NOZ. Das Verschwinden von Versorgungsangeboten sei vor allem dort hochproblematisch, wo auch die niedergelassenen Ärzte keine flächendeckende Versorgung mehr anbieten könnten.

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