China soll bis 2049 zur globalen Weltmacht aufsteigen – das ist Staatspräsident Xi Jinpings erklärtes Ziel. Dafür modernisiert er systematisch seit Jahren die chinesische Armee, der Nationale Volkskongress beschloss in dieser Woche für 2021 eine Erhöhung des Militäretats um 6,8 Prozent – 0,2 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Angesichts der deutlichen militärischen Signale positioniert sich auch die Bundesregierung nach langer Zeit der Zurückhaltung verteidigungspolitisch gegenüber Peking.
Das Verteidigungsministerium in Berlin warnt in einem neuen internen Bericht, der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, vor den militärischen Fähigkeiten Chinas. Demnach ist Pekings Motiv der Aufbau der Volksbefreiungsarmee „auf Weltklasseniveau“, als „Richtschnur“ auf dem Weg zur militärischen Weltmacht dienten die USA. Als Ziel wurde laut dem Papier die „Absicherung der wirtschaftlichen Entwicklung und Gestaltung internationaler Ordnung entlang eigener Interessen“ ausgemacht. Vor allem sollen die „Interessen im Südchinesischen Meer und in der Taiwan-Frage“ durchgesetzt werden – Konflikte, in denen bislang allen voran Washington versucht, Peking Einhalt zu gebieten.
„Neu ist Deutschlands gestiegene Aufmerksamkeit gegenüber Pekings Machtbestreben“, sagt Verteidigungsexpertin Helena Legarda vom Berliner China-Institut Merics im Gespräch mit AFP über das Papier. Die Bundesregierung habe realisiert, was China im Sicherheits- und Verteidigungsbereich tue und dass eine Positionierung wichtig für die globale Stabilität ist.
Unter anderem durch die vergangene Woche bekannt gewordene Entsendung einer deutschen Bundeswehr-Fregatte in den Indo-Pazifik-Raum ab August werde deutlich, dass Berlin entschieden habe, sein Engagement in der Region auszubauen. „Der Regierung ist klar geworden, dass der Indo-Pazifik und Chinas Einfluss insbesondere im Südchinesischen Meer dort nicht nur regional eine Rolle spielt, sondern auch internationale eine große Bedeutung hat.“
Mit der Bundeswehr-Mission untermauere Deutschland seine für die Region im September aufgestellten außenpolitischen Leitlinien. Zwar sei die Entsendung „symbolischer Natur“ und Berlin „vorsichtig, diese Mission nicht als eine gegen China zu deklarieren“, sagt Legarda. Dennoch werde das militärische Signal in Peking gesehen. Konsequenzen habe Deutschland jedoch nicht zu befürchten – solange die Regierung bei ihrem Plan bleibe, nicht die Zwölf-Meilen-Zone von Inseln oder Gebieten zu durchqueren, auf die China im Südchinesischen Meer Anspruch erhebt.
Legarda zufolge sorgte insbesondere das Jahr 2020 mit der Corona-Pandemie offenbar für ein Umdenken in der deutschen, aber auch der europäischen Politik. „Chinas aggressive Diplomatie im Zuge der Covid-19-Krise hat viel Skepsis in Europa ausgelöst.“ Das ändere zwar die seit Jahren zurückhaltende Politik der europäischen Staaten inklusive Deutschlands gegenüber China nicht komplett, aber die Länder seien zumindest aufgewacht.
In dem Papier des Verteidigungsministeriums wird aufgeschlüsselt, welche militärischen Kapazitäten die chinesischen Streitkräfte haben. Demnach verfügt Peking mittlerweile über zwei Millionen Soldaten, rund 6850 Kampfpanzer und 1600 Jagdflugzeuge, aber auch über die „weltweit größten konventionellen Raketenpotenziale“. Peking wird demnach auch als „einer der aktivsten und innovativsten Cyber-Akteure“ weltweit gesehen. Schwächen gebe es im Bereich der „Einsatzerfahrung“ und auch die Professionalisierung sei „noch nicht auf Augenhöhe mit westlichen Streitkräften“.
Legarda zufolge hat China unter Xi Jinping militärisch enorm gegenüber den USA aufgeholt. Bei den Luft-Streitkräften sei Peking fast gleichauf mit Washington, die Marine hingegen hinke trotz des eigenen Baus von Flugzeugträgern noch hinterher. „Allerdings legt Xi seinen Fokus auf die Entwicklung hochmoderner Waffentechnologien, um die USA auf diesem Feld zu überholen.“ Dem Staatschef sei bewusst, dass er die USA bei den konventionellen Waffen wohl nicht überholen kann, bei innovativen neuen Systemen sei das jedoch durchaus möglich, schätzt Legarda.