Nach dem Stopp der Astrazeneca-Impfungen in Teilen Europas hat sich die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) hinter das Corona-Vakzin gestellt. Sie sei immer noch „zutiefst überzeugt“ von den Vorteilen des Astrazeneca-Impfstoffs im Kampf gegen die Pandemie, sagte EMA-Chefin Emer Cooke am Dienstag. Es gebe zum jetzigen Zeitpunkt keine Belege für einen Zusammenhang zwischen dieser Impfung und dem Auftreten von Blutgerinnseln. Wie zuvor unter anderem Deutschland setzten am Dienstag aber auch Schweden, Luxemburg und Zypern die Astrazeneca-Impfungen vorsorglich aus.
„Wir sind immer noch zutiefst überzeugt, dass die Vorteile des Astrazeneca-Impfstoffs bei der Vorbeugung von Covid-19 mit dem damit verbundenen Risiko eines Krankenhausaufenthalts und dem Tod das Risiko dieser Nebenwirkungen überwiegen“, sagte Cooke bei einer Video-Pressekonferenz.
Außerdem gebe es derzeit keine Belege, dass die bei einzelnen Geimpften aufgetretenen Blutgerinnsel von dem Astrazeneca-Impfstoff verursacht worden seien, hob die EMA-Chefin hervor. Solche Blutgerinnsel „kamen nicht bei den klinischen Tests vor und sie werden nicht als bekannte oder zu erwartende Nebenwirkungen gelistet“. Ihre Behörde prüfe aber unerwünschte Nebenwirkungen „bei allen Impfstoffen“, versicherte Cooke.
Der EMA-Ausschuss für Impfstoff-Sicherheit hatte am Dienstag über das Astrazeneca-Präparat beraten und will bis zu einer Sondersitzung am Donnerstag zu einer Schlussfolgerung kommen. Die Experten würden dann „beraten, ob irgendwelche weiteren Maßnahmen ergriffen werden müssen“, sagte Cooke. Auch das Beratergremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Impfstoffsicherheit setzte für Dienstag Beratungen über den Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers an.
Die EMA hatte dem Astrazeneca-Vakzin, an dessen Entwicklung die Universität Oxford beteiligt war, am 29. Januar eine bedingte Marktzulassung für Menschen ab 18 Jahren erteilt. Es war der dritte Impfstoff, der eine EU-weite Zulassung erhielt. Er ist günstiger und leichter lagerbar als die beiden zuvor zugelassenen Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna.
Deutschland sowie Frankreich, Italien, Spanien, Slowenien, Portugal und Lettland hatten am Montag mitgeteilt, den Einsatz des Astrazeneca-Vakzins wegen der Berichte über das Auftreten schwerer Blutgerinnsel nach einer Impfung auszusetzen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte dies als reine Vorsichtsmaßnahme bezeichnet und die Entscheidung mit neuen Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Astrazeneca-Impfung in Deutschland und in Europa begründet.
Zuvor hatten sich schon mehrere andere europäische Länder zu dem Schritt entschlossen. Am Dienstag setzten auch die EU-Länder Schweden, Luxemburg und Zypern die Astrazeneca-Impfungen aus. Damit entschieden sich bereits mehr als die Hälfte der EU-Länder für diese Maßnahme.
Die schwedische Gesundheitsbehörde FHM erläuterte, diese „Vorsichtsmaßnahme“ sei eine Reaktion auf Berichte über „mutmaßliche Nebenwirkungen“ des Mittels des britisch-schwedischen Herstellers. Sie gelte, bis die EMA ihre Untersuchungen zu möglichen Nebenwirkungen des Vakzins abgeschlossen habe.
Astrazeneca und Medizinexperten in Großbritannien verweisen darauf, dass es keine Belege dafür gebe, dass die Impfung ursächlich für die Blutgerinnsel sei. Der Chef des polnischen Impfprogramms, Michal Dworczyk, erklärte, Regierungen, welche die Astrazeneca-Impfungen stoppten, seien „der von der Medienberichterstattung über angebliche Komplikationen ausgelösten Panik erlegen“.
Der britische Premierminister Boris Johnson verteidigte das in seinem Land schon mehr als elf Millionen Mal verwendete Corona-Vakzin von Astrazeneca am Dienstag in einem Beitrag für die „Times“. „Dieser Impfstoff ist sicher und wirkt extrem gut“, schrieb Johnson.
Das US-Unternehmen Moderna teilte derweil mit, dass es die Wirksamkeit und Verträglichkeit seines Corona-Impfstoffs nun auch bei Kindern prüfe. Die klinischen Tests an Kindern in den USA und Kanada hätten bereits begonnen, teilte Moderna am Dienstag mit. Insgesamt rund 6750 gesunde Kinder im Alter von sechs Monaten bis 11 Jahren sollen demnach daran teilnehmen.