Invasion nach 17 Jahren im Untergrund – Bald schlüpfen in den USA Milliarden Zikaden

Zikade - Bild: norris1936 via Twenty20
Zikade - Bild: norris1936 via Twenty20

Es war wie in einem Science-Fiction-Film. Unheimlich, wie aus einer anderen Welt.“ Melanie Asher erinnert sich noch genau an die Zikaden-Invasion, die sie als Kind 1987 im Washingtoner Vorort Bethesda erlebte. Alle 17 Jahre schlüpfen Milliarden Zikaden in den USA gleichzeitig. In wenigen Wochen ist es wieder soweit.

Fast zwei Jahrzehnte leben die Larven in der Erde, bevor sie dann in Massen hervorkommen und mit ohrenbetäubendem Lärm die Luft erfüllen – in einem riesigen Gebiet, das von Washington im Osten über Illinois im Mittleren Westen bis nach Georgia im Süden reicht. Ihr Leben über der Erde ist kurz – gerade lang genug, um sich zu paaren und Eier zu legen.

In diesem Jahr werden die Zikaden im Mai erwartet, je nach Witterung in manchen Regionen auch früher. Die Ankunft der daumengroßen Insekten mit den roten Glubschaugen ist ebenso spektakulär wie selten. Melody Merin erlebte die letzte Invasion 2004 in Washington. „Sie flogen einfach überall hin“, erzählt die 46-Jährige. Es sei schwer gewesen, ihnen zu entkommen. Autofahren mit offenem Fenster – undenkbar.

Peter Peart aus dem Washingtoner Stadtteil Columbia Heights hat das Zikaden-Spektakel schon zweimal mitbekommen. „Es ist laut, ununterbrochen“, sagt der Rentner. Dennoch freut er sich auf die Zikaden in ein paar Wochen – vor allem auf die erstaunten Gesichter derer, die ihnen zum ersten Mal begegnen.

„Es ist wirklich ziemlich einzigartig“, sagt der Evolutionsbiologe John Cooley von der Universität von Connecticut in Hartford. „Die Zikaden haben einfach einen 17-jährigen Lebenszyklus.“ Der läuft immer gleich ab. „Sobald der Boden eine bestimmte Temperatur erreicht, etwa 17 Grad Celsius, kommen die Larven aus dem Boden und häuten sich“, erklärt der Biologe. „Dann hängen sie etwa eine Woche lang in der Vegetation herum.“ Anschließend beginnen sie mit ihrem „Erwachsenenverhalten“, wie Cooley es nennt. Man könnte es auch als gigantische Insekten-Orgie bezeichnen. Denn darum geht es einzig und allein: um die Fortpflanzung.

„Das Geräusch, das man hört, ist das der Männchen, die die Weibchen anlocken“, sagt der Wissenschaftler. Die Weibchen legen ihre Eier auf Bäumen ab und sterben kurz darauf. Der Boden ist dann mit toten Insekten übersät.

Nach sechs bis acht Wochen schlüpfen die Larven und graben sich in den Boden ein, wo sie sich 17 Jahre lang vom Saft der Baumwurzeln ernähren, bis der Zyklus von Neuem beginnt. Dieses Frühjahr werde mit „Milliarden und vielleicht sogar Billionen“ Zikaden gerechnet, sagt Cooley.

Indem sie in Massen und nur in großen Abständen auftreten, können die Zikaden Fressfeinden entkommen. Denn selbst wenn Eichhörnchen, Vögel, Waschbären und Hunde sich tagelang die Bäuche mit den Insekten vollschlagen, werden immer noch genügend Zikaden überleben.

Anders als eine Invasion von Heuschrecken richten die Zikadenschwärme keinen Schaden an. Nur den nach einem Jahr Pandemie sehnlich erwarteten Frühling könnten die Insekten den Menschen in den USA ein bisschen vermiesen. Zusammen mit tausenden lärmenden Zikaden macht ein Picknick im Park nur noch halb so viel Vergnügen.

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