Korruptionsskandal bringt CSU-Parteichef Söder in die Defensive

Markus Söder - Bild: Stefan Obermeier/Bayerischer Landtag
Markus Söder - Bild: Stefan Obermeier/Bayerischer Landtag

Da ist es wieder, das größte Reizwort der CSU – Amigo. FDP-Generalsekretär Volker Wissing twitterte es Mittwochnachmittag genüsslich, während die Staatsanwälte noch im Büro des bayerischen CSU-Landtagsabgeordneten Alfred Sauter waren. „Fällt die CSU unter ihrem Vorsitzenden Markus Söder etwa wieder in alte Amigo-Zeiten zurück?“, fragte Wissing – wohlwissend, dass er die Christsozialen an ihrem wundesten Punkt erwischt.

Für Söder ist die Provokation des FDP-Generalsekretärs noch das kleinste Problem. Er erlebt in diesem März politisch die schwerste Zeit nicht nur in der Coronakrise, sondern auch in seiner gut zwei Jahre währenden Amtszeit als CSU-Chef. 

Die stockende Impfkampagne und steigende Neuinfektionszahlen lassen die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wachsen. Während dies alle Regierungsparteien betrifft, wird die von den Ermittlungen gegen den ursprünglich zur CSU gehörenden Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein ausgelöste Maskenaffäre zu einem echten Skandal, in dem immer stärker die Christsozialen im Mittelpunkt stehen.

Mit dem Hinweis auf die Amigo-Affäre erinnert Wissing dabei an das Jahr 1993. Damals wurde bekannt, dass sich Ministerpräsident Max Streibl private Reisen von einem befreundeten Unternehmer hatte zahlen lassen. Mit einem launischen „Saludos Amigos“ wollte Streibl damals auf dem Politischen Aschermittwoch in Passau das Ganze ins Lächerliche ziehen, außerdem fragte er: „Freunde zu haben, ist das eine Schande bei uns in der CSU?“.

Die damaligen Vorwürfe gegen Streibl wirken harmlos gegen das, was jetzt gerade passiert. Denn anders als um Urlaubsreisen geht es nun Berichten zufolge um Provisionen im sechsstelligen Bereich. Die größte Parallele ist, das womöglich wieder die freundschaftlichen Verbindungen von Politik und Wirtschaft eine Rolle spielen. Ein Unternehmer aus Nüßleins Wahlkreis soll mit zu den Beschuldigten gehören.

Bisher bestreiten zumindest die beschuldigten Politiker alle Vorwürfe – und auch die Generalstaatsanwaltschaft erklärt, dass die Unschuldsvermutung gilt. Söder und sein Generalsekretär Markus Blume fällten hingegen schon ein Urteil. Nach dem mittlerweile aus der CSU ausgetretenen Nüßlein forderten sie auch Sauter auf, seine Parteiämter aufzugeben und sein Mandat ruhen zu lassen.

Für Söder ist der Kampf mit Sauter eine riskante Auseinandersetzung. Sauter ist zwar einer breiten Öffentlichkeit kaum noch bekannt. Doch innerhalb des parteiinternen CSU-Machtgefüges ist der 70-Jährige eine graue Eminenz mit einem engen Netzwerk – Söders Vorgänger als CSU-Chef, Horst Seehofer, und Sauter sind enge Vertraute.

Sauter machte zunächst keine Anstalten, klein bei zu geben und seine Ämter ruhen zu lassen. Schon als ihn die CSU-Fraktion unmissverständlich aufgefordert hatte, seine Einnahmen bei den Maskendeals offenzulegen, lehnte Sauter dies ab. Die CSU musste das machtlos akzeptieren.

Die Frage wird sein, was Söder macht, falls der stets äußerst selbstbewusst auftretende Sauter nicht nachgibt? Söder gilt wegen seiner bislang hohen Zustimmungswerte für sein Corona-Krisenmanagement in der CSU als so stark wie einst Franz Josef Strauß. Ein verlorener Machtkampf mit Sauter könnte ihm seine Grenzen aufzeigen.

Doch eine noch größere Frage ist, wie Söder den Skandal aus dem Wahlkampf vor der Bundestagswahl im Herbst heraushalten will. Die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft laufen gerade erst an – dass der Fall bis September erledigt ist, ist nicht zu erwarten.

Damit dürften Söder und die CSU vermutlich den Begriff von den Amigos in den kommenden Monaten noch öfter hören. Nach der Pleite der CDU bei den Landtagswahlen im Südwesten wollten die CSU und Söder die Union eigentlich wieder in die Offensive führen – nun sind sie selbst so arg in der Defensive wie lange nicht mehr.

Anzeige



Anzeige

Avatar-Foto
Über Redaktion des Nürnberger Blatt 44855 Artikel
Hier schreiben und kuratieren die Redakteure der Redaktion des Nürnberger Blatt