Fast 60 Jahre nach dem Ende des Algerien-Krieges hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein „Verbrechen“ seines Landes offiziell anerkannt. Macron erklärte am Dienstagabend, der algerische Rechtsanwalt und Unabhängigkeits-Kämpfer Ali Boumendjel sei 1957 von der französischen Armee „gefoltert und ermordet“ worden. „Kein Verbrechen und keine Gräueltat während des Algerienkriegs (…) darf entschuldigt oder vertuscht werden“, betonte Macron laut einer Mitteilung des Präsidialbüros.
Macron äußerte sich nach einem Treffen mit vier Enkelkindern Boumendjels im Pariser Elysée-Palast. „Ali Boumendjel hat keinen Suizid begangen“, hieß es in der Erklärung weiter. Ein früherer französischer Geheimdienstmitarbeiter hatte demnach eingestanden, die Tötung des Anwalts und deren Tarnung als Suizid angeordnet zu haben. Boumendjel war ein führendes Mitglied der algerischen Unabhängigkeitspartei Union démocratique du manifeste algérien (UDMA).
Macron folgte damit Empfehlungen des Historikers Benjamin Stora vom Januar. Dieser hatte dem Präsidenten zu größerer Offenheit über jahrzehntelang verheimlichte Gräueltaten im Algerien-Krieg von 1954 bis 1962 geraten. Algerien fordert von Frankreich überdies eine offizielle Entschuldigung. Dies schließt Macron aus, allerdings hatte er sich im Wahlkampf 2017 noch dafür ausgesprochen.
Als Präsident erkannte Macron dann 2018 systematische Folter durch Frankreich im Algerien-Krieg an sowie die Verantwortung der Armee für den Tod des Kommunisten Maurice Audin, eines mutmaßlichen Unterstützers der algerischen Befreiungsfront FLN. Algerien hatte im Juli 1962 nach 132 Jahren unter französischer Kolonialherrschaft seine Unabhängigkeit erklärt.