Als erste Frau an der Spitze der Welthandelsorganisation (WTO) hat die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala am Montag ihr Amt angetreten. Sie komme in „eine der wichtigsten Institutionen der Welt“ und es gebe „viel zu tun“, sagte die neue Generaldirektorin bei ihrer Ankunft am Sitz der WTO in Genf. Zu den ersten Prioritäten ihrer Amtszeit zählt sie eine weltweit faire Impfstoff-Verteilung und Fortschritte bei den Verhandlungen über Fischerei-Subventionen.
Okonjo-Iweala übernimmt das Amt in einer Zeit der tiefgreifenden globalen Wirtschafts- und Gesundheitskrise angesichts der Corona-Pandemie. Der erste Arbeitstag der 66-Jährigen fiel mit dem jährlichen Treffen des Allgemeinen Rats der WTO zusammen, der zwischen den Tagungen der Ministerkonferenz die laufenden Geschäfte der Organisation erledigt.
In einer Rede vor dem Gremium sagte die neue Generaldirektorin, dem Kampf gegen Covid-19 müsse „Priorität zukommen“. Unter den Mitgliedsländern der WTO herrscht indes Uneinigkeit darüber, ob etwa Patentvorschriften auf Eis gelegt werden sollen, um die Impfstoffproduktion zu beschleunigen. Okonjo-Iweala hatte kürzlich in einem AFP-Interview gesagt, sie wolle ärmeren Ländern den Zugang zu Corona-Impfstoffen erleichtern.
Ein weiteres Augenmerk will sie auf die festgefahrenen Handelsgespräche über Fischerei-Subventionen legen. Am WTO-Sitz weihte sie eine Eisskulptur aus Fischen ein und warnte später in ihrer Rede vor einer „Überfischung“ der Meere und der „illegalen Fischerei“, die einem nachhaltigen Wirtschaften entgegen stünden.
Der Allgemeine Rat einigte sich unterdessen darauf, dass die nächste Ministerkonferenz ab dem 29. November in Genf stattfinden soll. Im vergangenen Jahr war das geplante Treffen wegen der Corona-Pandemie ausgefallen.
Die WTO gehört neben dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank zu den wichtigsten internationalen Organisationen in der Wirtschaftspolitik. Sie soll vor allem ein Forum für Verhandlungen zum Abbau von Zöllen sowie anderen Handelshemmnissen bieten und überwachen, ob internationale Handelsabkommen eingehalten werden. Auf die Ökonomin und frühere Finanzministerin Nigerias warten indes gewaltige Aufgaben, denn die WTO mit ihren 164 Mitgliedern gilt als stark reformbedürftig.
Zuletzt war die WTO zunehmend unter Druck geraten. So ist die Berufungsinstanz des Streitbeilegungsmechanismus der Organisation wegen einer Blockade der USA nicht funktionsfähig; Washington hatte unter Präsident Donald Trump zudem sogar damit gedroht, die WTO zu verlassen. Da unter Trump das internationale Handelssystem von Protektionismus geprägt war, ist es nun eines der größten Anliegen der neuen WTO-Generaldirektorin, wieder zu einem freien Handel ohne Zollstreitigkeiten zurückzufinden.
Die WTO müsse sich zudem wieder ihrem obersten Ziel zuwenden, nämlich den Lebensstandard in armen Ländern verbessern und „vernünftige Jobs für die Menschen schaffen“, sagte Okonjo-Iweala kürzlich in dem AFP-Interview. Davon sei die WTO bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie weit entfernt gewesen.