Europastaatsminister Michael Roth (SPD) sieht das Gesetz zum Corona-Hilfsfonds der EU nach dem vorläufigen Stopp durch das Bundesverfassungsgericht nicht gefährdet. „Bundestag und Bundesrat sind mit einer zügigen Ratifizierung und jeweils breiten Mehrheiten ihrer Verantwortung für Europa gerecht geworden“, sagte Roth der Nachrichtenagentur AFP. Der Schritt sei zuvor „verfassungs- und europarechtlich sehr intensiv geprüft“ worden. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sehe er deshalb „zuversichtlich“ entgegen.
Bundestag und Bundesrat hatten vergangene Woche den Weg für den sogenannten Eigenmittelbeschluss zur Finanzierung des 750 Milliarden Euro schweren EU-Hilfsfonds freigemacht. Das Bundesverfassungsgericht stoppte am Freitag dann aber per einstweiliger Anordnung den Abschluss des Ratifizierungsprozesses, indem es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zunächst die Unterzeichnung verwehrte.
Hintergrund sind offenbar Klagen gegen das Vorhaben, das eine Aufnahme gemeinsamer EU-Schulden in bisher beispielloser Höhe vorsieht. „Ich unterstütze genauso wie meine Partei, die SPD, das Konzept einer Fiskalunion“, betonte Roth, der eine „bisweilen sehr ideologisch“ geführte Debatte über die EU-Haushaltspolitik beklagte.
„Wer von einer ‚Schuldenunion‘ spricht, unterstellt, dass die EU wie ein Staubsauger Milliarden und Abermilliarden Euro aufsaugt“, kritisierte der Europastaatsminister. Mit dem Corona-Hilfspaket werde die EU „nicht zum Finanzmoloch“, da es in der EU keine haushalterischen Entscheidungen gebe, „ohne dass der Rat einstimmig und das Europäische Parlament mehrheitlich zustimmen müssen“.
Den Eigenmittelbeschluss bezeichnete Roth als „gelebte Solidarität im gemeinsamen Interesse aller in Europa“. Die Mittel müssten nun so schnell wie möglich bei den Menschen und Branchen ankommen, bei denen sie am dringendsten gebraucht würden.
„Es ist im ureigenen deutschen Interesse, dass wir in Europa solidarisch handeln und keine Armutsinseln in Europa schaffen“, betonte Roth. „Es ist doch kein Geheimnis: Auch Deutschland – als größter wirtschaftlicher Profiteur Europas – kann nicht stark sein, wenn Europa, unsere Partnerinnen und Partner schwach sind.“
Der Eigenmittelbeschluss ermächtigt die EU-Kommission, für den Wiederaufbaufonds bis zu 750 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufzunehmen. Aus dem Corona-Hilfsfonds sollen 390 Milliarden Euro als Zuschüsse verteilt werden, die restlichen 360 Milliarden Euro als Kredite fließen. Diese Gelder müssen von den Empfängern an die EU-Kommission zurückgezahlt werden, die dann damit die entsprechenden EU-Schulden tilgt.