Rund 200 Festnahmen bei Treffen von russischen Oppositionspolitikern in Moskau

Russischer Polizist
Russischer Polizist

In Moskau hat die Polizei ein Treffen oppositioneller Lokalpolitiker aufgelöst und rund 200 Teilnehmer festgenommen. 40 Minuten nach dem Beginn des Oppositionsforums in einem Moskauer Hotel sei die Polizei gekommen und habe die Veranstaltung aufgelöst, schrieb der bekannte Oppositionspolitiker Ilja Jaschin am Samstag auf Facebook. Alle Teilnehmer seien auf Polizeiwachen gebracht worden. 

Jaschin schrieb vom „symbolischen Ende eines kurzen Forums: Abgeordnete in Polizeibussen, und Polizisten, die Arme verdrehen“. In einem im Messengerdienst Telegram verbreiteten Video war zu sehen, wie die Oppositionellen abgeführt und in Polizeifahrzeuge gesetzt wurden. 

In Polizeigewahrsam genommen wurden unter anderem Jekaterinburgs Ex-Bürgermeister Jewgeni Roisman und die bekannten Oppositionellen Julia Galjamina, Andrej Piwowarow und Wladimir Kara-Mursa. Auch mehrere Journalisten, die über das Treffen berichten wollten, wurden festgenommen.

Die Moskauer Polizei sprach von insgesamt rund 200 Festnahmen. Viele der Oppositionspolitiker hätten trotz der Corona-Pandemie keine Masken getragen, zudem seien unter den Forums-Teilnehmern Mitglieder einer „unerwünschten Organisation“ gewesen. 

Der Oppositionelle Piwowarow sagte zu AFP, die Veranstaltungsteilnehmer seien festgenommen worden, weil die Behörden offenbar davon ausgegangen seien, dass das Forum von der vom prominenten Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski gegründeten Bewegung „Offenes Russland“ organisiert worden sei, die vom Kreml als „unerwünscht“ eingestuft wird. Laut Piwowarow wurde das Forum allerdings von den Vereinigten Demokraten organisiert. Auch diese Organisation wird von Chodorkowski unterstützt. Piwowarow warf den Behörden vor, das Treffen unter einem Vorwand abgebrochen zu haben. „Ihr Ziel ist es, uns einzuschüchtern“, sagte er. 

Die Bewegung „Offenes Russland“ ist seit 2017 in Russland verboten. Grundlage ist ein umstrittenes Gesetz, wonach ausländische Nichtregierungsorganisationen als „unerwünscht“ eingestuft und verboten werden können. Als „unerwünscht“ eingestufte Organisationen dürfen in Russland keinerlei Schriften verbreiten. Wer mit ihnen zusammenarbeitet, kann mit Geld- oder Haftstrafen sowie Einreisesperren belegt werden.

Chodorkowski war Inhaber des russischen Ölkonzerns Jukos, bevor er in einem umstrittenen Prozess zu jahrelanger Haft verurteilt wurde und lebt inzwischen im Ausland. Im Online-Dienst Twitter äußerte er sich am Samstag empört über das Vorgehen der Polizei gegen die in Moskau versammelten Oppositionellen. „Das gesamte Forum der kommunalen Abgeordneten Russlands wurde festgenommen“, schrieb er. Dies sei ein „Verfassungsverstoß“.

Das Team des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny schrieb bei Telegram, das Treffen sei unterbunden worden, weil die russische Regierung „Angst“ vor jeder Konkurrenz bei Wahlen habe und ihre Gegner deshalb einschüchtere. „Selbst manipulierte Wahlen zu gewinnen, wird immer schwieriger.“

Die russischen Behörden hatten den Druck auf Kritiker von Präsident Wladimir Putin zuletzt massiv erhöht. Im Zuge von Protesten gegen die Inhaftierung Nawalnys wurden seit Jahresbeginn bereits mehr als 10.000 Demonstranten festgenommen.

Die massenhafte Festnahme von Kommunalpolitikern bewerten Beobachter als weitere Eskalation im Vorgehen der Behörden gegen die Opposition. „Jetzt ist es offiziell: Politik ist ein Verbrechen“, schrieb der Kommentator Kirill Martinow von der unabhängigen russischen Zeitung „Nowaja Gaseta“. Der Politik-Experte Abbas Galljamow wies derweil darauf hin, dass das Forum ohne den Polizeieinsatz kaum Aufmerksamkeit bekommen hätte. „Niemand interessiert sich für kommunale Regierungsangelegenheiten“, schrieb Galljamow. „Jetzt ist es ein vollwertiges politisches Ereignis.“

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