Die EU hat im Streit um Corona-Impfstofflieferungen den Ton verschärft. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drohte am Mittwoch mit Auflagen für die Ausfuhr von Impfstoffen in Länder, die selbst Impfstoffe produzieren oder eine höhere Impfrate haben als die EU. Sie zielte insbesondere auf Großbritannien ab. Die Kommission legte zudem einen Vorschlag für einen einheitlichen Impfausweis vor, der ab Sommer Reisen in der EU erleichtern soll.
„Wir exportieren sehr viel in Länder, die selbst Impfstoffe produzieren“, sagte die Kommissionschefin. Das sei grundsätzlich auch gut, aber Offenheit müsse auf Gegenseitigkeit beruhen. Aus diesen produzierenden Ländern sollte es daher auch Lieferungen in die EU geben. Dafür werde Brüssel „alle möglichen Instrumente nutzen“.
Die EU-Kommission hatte im Januar einen Exportkontrollmechanismus für Corona-Impfstoffe eingeführt. Hersteller müssen ihre Ausfuhren in Drittländer seitdem bei den Behörden anmelden und genehmigen lassen. Hintergrund war der Streit mit dem britisch-schwedischen Pharmaunternehmen Astrazeneca um massive Lieferrückstände.
Unter dem Kontrollmechanismus wurden laut von der Leyen bisher 314 Ausfuhranträge für insgesamt über 41 Millionen Impfstoffdosen genehmigt und nur eine Lieferung unterbunden. Großbritannien ist demnach mit bislang zehn Millionen Dosen „Nummer eins der Länder, die Impfstoff aus der EU beziehen“.
Zugleich befänden sich in dem ehemaligen EU-Mitgliedsstaat zwei Werke von Astrazeneca, die vertraglich zu Lieferungen in die EU verpflichtet seien. „Wir warten noch, dass Dosen aus Großbritannien geliefert werden“, sagte von der Leyen. „Das ist eine Einladung an Großbritannien, uns zu zeigen, dass sie Impfstoff in die EU exportieren.“
Bei den USA hingegen, die explizit ein Exportverbot für Impfstoffe verhängt haben, sieht die Kommissionschefin kein Problem. Insbesondere weil es einen regen transatlantischen Austausch von Produktionsmitteln für die Impfstoffe gebe, „ist hier Gegenseitigkeit gegeben“.
Die Kommissionschefin stellte am Mittwoch zudem ihren Gesetzesvorschlag für ein EU-weit einheitliches Impfzertifikat vor. Ziel sei es, bis zum Sommer „Reisefreiheit in der EU sicher und verantwortungsbewusst wiederherzustellen“. Das Thema ist ein wichtiges Anliegen der stark vom Tourismus abhängigen Mitgliedstaaten.
Das sogenannte grüne Zertifikat soll Aufschluss darüber geben, ob ein Mensch das Coronavirus weiterverbreiten kann oder zumindest wie wahrscheinlich dies ist. Neben Informationen über Impfungen sollen dafür auch Testergebnisse und Angaben über eine überstandene Corona-Erkrankung enthalten sein. Für Reisende könnten dadurch Test- oder Quarantänepflichten entfallen.
Derartige Gesetzgebungsprozesse dauern im Normalfall mindestens Monate, meist Jahre. Die Kommission ist aber optimistisch, dass es dieses Mal schneller gehen kann. „Damit dieser Vorschlag noch vor dem Sommer fertiggestellt werden kann, muss er schnell vom Europäischen Parlament und vom Rat verabschiedet werden“, erklärte die Behörde.
Von der Leyen bekräftigte darüber hinaus erneut die Zielsetzung der EU, bis Ende des Sommers 70 Prozent der Bevölkerung zu impfen. „Wir können unser Ziel erreichen“, sagte sie und verwies auf deutliche Steigerungen der zu erwartenden Impfstofflieferungen im zweiten Quartal, insbesondere wegen der Zulassung des Vakzins von Johnson & Johnson als viertes in der EU.